Jobenlargement: Routinekiller als Tool der Personalentwicklung

Verfasst von Roul Radeke. Zuletzt aktualisiert am 25 Mai, 2024
Lesezeit Minuten.
Ihre Angestellten verlieren schnell die Motivation, sind häufig krank oder arbeiten insgesamt nicht besonders effizient? Möglicherweise kann eine Umstrukturierung der Arbeit diese Probleme lösen. Erfahren Sie, was Jobenlargement in diesem Zusammenhang bedeutet, wie Sie es umsetzen und welche Vor- und Nachteile damit verbunden sein können. Einige Beispiele veranschaulichen die Realisierung in der Praxis.  

Jobenlargement – die drei wichtigsten Fragen auf einen Blick

Sie möchten als Arbeitgeber oder Führungskraft mehr über das Jobenlargement als Methode der Arbeitsstrukturierung wissen? Folgende Fragen und Antworten bieten einen Einstieg in das Thema:

  • Was ist Jobenlargement?
    Das Enlargement eines Jobs erhöht die Aufgabenvielfalt für einen Mitarbeiter um Tätigkeiten mit dem gleichen Anforderungsniveau wie die bisherigen.
  • Wann lohnt sich Jobenlargement?
    Es lohnt sich, wenn dadurch einseitige Belastungen vermieden werden, die Arbeit interessanter wird und somit Motivation und Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers steigen.
  • Was ist der Unterschied zwischen Jobenlargement und Jobenrichment?
    Während beim Enlargement das Anforderungsniveau der neuen Aufgaben dem der bisherigen entspricht, ist es beim Enrichment höher.

Lesen Sie im nächsten Abschnitt, was das Enlargement von Jobs genau kennzeichnet, und welche Ziele Sie damit erreichen können.

Jobenlargement als Methode der Personalentwicklung

Beim Jobenlargement handelt es sich laut Definition um eine Form der Arbeitserweiterung. Das bedeutet, die Arbeit eines Mitarbeiters wird neu strukturiert, sodass er in der Summe mehr Arten von Aufgaben als bisher erledigt. Die neuen Tätigkeiten haben annähernd das gleiche Anforderungsniveau und einen ähnlichen zeitlichen Rahmen wie die bisherigen Aufgaben, die weiterhin – jedoch in geringerem Umfang – ausgeübt werden. Diese Maßnahme der Personalentwicklung wirkt einer zu starken und einseitig beanspruchenden Arbeitsteilung entgegen.

Durch die neuen Tätigkeiten soll die Leistungsfähigkeit und Motivation des Mitarbeiters gestärkt werden, wozu folgende Teilziele beitragen:

  • Reduzierung monotoner Arbeitsabläufe (weniger schnelle Ermüdung)
  • Wechsel der Beanspruchung (Erholungseffekte)
  • abwechslungsreichere Arbeit (Mitarbeitermotivation)
  • Verhinderung einseitiger körperlicher Belastung (weniger Erkrankungen)
  • Erweiterung der Fähigkeiten (positiv für die Karriere)

Als weitere Instrumente der Arbeitsstrukturierung gelten Jobenrichment und Job Rotation. Beim Enrichment übernimmt der Mitarbeiter ebenfalls zusätzliche Aufgaben, aber mit einem höheren Anforderungsniveau, wofür oft eine erweiterte Einarbeitung oder sogar Weiterbildung notwendig ist. Man spricht in diesem Fall auch von einer vertikalen, und beim Enlargement von einer horizontalen Arbeitserweiterung.

Während es bei den beiden genannten Maßnahmen um auf Dauer angelegte Ausdehnungen des Aufgabenspektrums geht, hat Job Rotation den regelmäßigen oder gelegentlichen Wechsel des Arbeitsplatzes zum Inhalt. Alle diese Umstrukturierungen haben jedoch im Wesentlichen das Ziel, die Anforderungen der Arbeit an die Bedürfnisse der Arbeitnehmer anzupassen, und so ihre Leistungsfähigkeit positiv zu beeinflussen.

Schnellcheck: 7 gute Gründe, die für die Einführung von Jobenlargement sprechen

Jobenlargement ist ein bewährtes Instrument zur Personalführung und -entwicklung. Aber woran erkennen Sie Situationen, für die es sich eignet? Folgende Fragen helfen Ihnen bei der Bewertung. Je häufiger Sie mit „ja“ antworten, desto wahrscheinlicher ist der Nutzen dieser Methode:

  1. Ihr Mitarbeiter zeigt nicht mehr das gewünschte Engagement und macht nur noch Dienst nach Vorschrift?
  2. Seine Leistung hat nachgelassen?
  3. Er ist häufiger krank als früher?
  4. Eine Anforderungsanalyse hat ergeben, dass seine Arbeit wenig Abwechslung bietet und zu einseitig belastet?
  5. Es gibt zu viel zeitlichen Leerlauf und/oder Anzeichen von Langeweile in seinem Arbeitsalltag?
  6. Er wirkt insgesamt unzufrieden?
  7. Einiges deutet darauf hin, dass er eine Kündigung in Betracht zieht?

Um konkrete Situationen richtig bewerten zu können, müssen Sie guten Kontakt zu Ihren Angestellten bzw. deren Vorgesetzten pflegen. Zusätzlich lohnt es sich, generell auf eine offene und lösungsorientierte Kommunikation zu achten, damit die Mitarbeiter bei entsprechenden Problemen von selbst auf Sie oder die jeweilige Führungskraft zukommen. Mitarbeitergespräche und -befragungen können einen weiteren Beitrag leisten.

Aus der Praxis: Beispiele für Jobenlargement in Unternehmen

Sie fragen sich, wie Jobenlargement genau umgesetzt wird? Einige Beispiele aus verschiedenen Branchen zeigen, was diese Maßnahme beinhalten kann und wann sie sich lohnt.

Beispiel aus der Praxis 1: Industrielle Produktion

Viele Arbeiten in der industriellen Produktion sind sehr spezialisiert, d. h. es herrscht eine hohe Arbeitsteilung. Der Grund dafür ist, dass die Tätigkeiten oft sehr routiniert ablaufen müssen, um eine hohe Effizienz zu erreichen. Andererseits können dadurch die genannten Probleme wie schnelle Ermüdung durch Monotonie, nachlassende Leistung oder gesundheitliche Probleme durch einseitige Belastung auftreten.

Das lässt sich beispielsweise dadurch verhindern, dass vor- oder nachgelagerte Arbeitsschritte mit erledigt werden. Auch die Materialbesorgung aus dem Lager oder die Verpackung der Produkte kann der Arbeitnehmer übernehmen. Zu beachten ist hierbei jedoch, dass die notwendige Routine nicht leiden und der Arbeitsumfang im Gesamten nicht zu hoch werden darf. Es muss abgewogen werden, welche Intensität der Arbeitsteilung angemessen ist.

Beispiel aus der Praxis 2: Servicemitarbeiter

In einem Museum verkauft ein Mitarbeiter am Empfang Eintrittskarten und Souvenirs. Um etwas mehr Bewegung in seinen Arbeitsalltag zu integrieren und Abwechslung zu ermöglichen, soll er auch einige Kontrollgänge durch die Ausstellungshallen unternehmen.

Das geht allerdings nur, wenn während dieser Zeit ein Kollege den Job an der Kasse übernehmen kann. Eventuell ließe sich dieses Jobenlargement auch als Job Rotation organisieren, d. h., beide Mitarbeiter wechseln sich regelmäßig am Eintritt und bei den Kontrollgängen ab.

Beispiel aus der Praxis 3: Vertrieb

Ein Vertriebsmitarbeiter ist ausschließlich mit der Kundenakquise beschäftigt. Im Rahmen des Jobenlargements übernimmt er nun auch Aufgaben der Stammkundenbetreuung. Das Anforderungsniveau ändert sich nicht wesentlich. Für beide Aufgaben sind vor allem Kommunikationsgeschick, Kundenorientierung und das entsprechende Wissen über die eigenen Angebote erforderlich.

Die Arbeit wird abwechslungsreicher und bringt gleichzeitig den Vorteil der flexibleren und bedarfsgerechten Einsatzmöglichkeiten mit sich. Weniger empfehlenswert wäre die Erweiterung der Aufgaben in diesem Fall, wenn der Mitarbeiter die Neukundenakquise eindeutig bevorzugt und dafür auch ein besonderes Talent mitbringt, praktisch also kein Bedarf an Veränderung besteht.

Vor- und Nachteile des Jobenlargements in der Übersicht

Folgende Tabelle fasst Vor- und Nachteile zusammen, die mit dem Jobenlargement einhergehen können. Es hängt jedoch immer von der individuellen Situation ab, welche Aspekte am stärksten zum Tragen kommen.

Vorteile
  • Größere Aufgabenvielfalt verhindert Monotonie und Unterforderung, was motivierend wirkt und zu höherer Produktivität beiträgt.
  • Der Mitarbeiter ist flexibler einsetzbar, sodass plötzlich eintretender Personalmangel besser abgefangen werden kann.
  • Der Mitarbeiter bekommt einen größeren Überblick über unternehmerische Prozesse und erwirbt neue Kompetenzen, wodurch sich auch die Arbeitsqualität erhöhen kann.
  • Da häufig Arbeiten übernommen werden, die der bisherigen Tätigkeit vor- oder nachgelagert sind, treten weniger Abstimmungsprobleme auf.
  • Die Reduzierung einseitiger körperlicher oder psychischer Belastungen kann Berufskrankheiten vorbeugen
Nachteile
  • Durch die Planung und Organisation des Jobenlargements entsteht ein gewisser Aufwand.
  • Während der Einarbeitung kann die Produktivität des Arbeitnehmers vorübergehend reduziert sein.
  • Es besteht die Gefahr, dass beim Arbeitnehmer das demotivierende Gefühl der Arbeitsverdichtung entsteht, wenn kein ausreichender zeitlicher Ausgleich gegeben ist.
  • Auch wenn das Anforderungsniveau ähnlich ist, kann es passieren, dass der Mitarbeiter mit bestimmten neuen Aufgaben überfordert ist.

Die genannten Nachteile lassen sich zum Teil vermeiden, wenn Sie das Jobenlargement gut planen und strukturiert implementieren. Der nächste Abschnitt gibt einige Hinweise dazu.

10 Tipps: So implementieren Sie das Jobenlargement im Personalwesen

Sie sehen das Enlargement von Jobs als eine Möglichkeit, die Arbeit in Ihrem Unternehmen besser zu strukturieren, und möchten es umsetzen? Anhand folgender FAQ-Antworten erkennen Sie, worauf Sie dabei besonders achten müssen:

  1. 1
    Offenheit signalisieren
    Die Herausforderung besteht zunächst darin, den Bedarf für eine neue Arbeitsstrukturierung durch neue Aufgaben überhaupt zu erkennen. Signalisieren Sie deshalb generell Offenheit für Problemthematisierungen, z. B. über öffentliche Informationen, einen Kummerkasten oder Angebote für Sprechstunden.
  2. 2
    Aktiv Feedback einholen
    Nutzen Sie die regelmäßigen Mitarbeitergespräche, um das Thema aktiv anzusprechen, und so einen eventuellen Bedarf bzw. die Meinungen und Ideen Ihrer Angestellten zu erfragen.
  3. 3
    Bedarf feststellen
    Damit das Enlargement von einem Job Nutzen bringt, muss ein Bedarf dafür vorhanden sein. Wenn sich der jeweilige Angestellte mit der aktuellen Situation wohlfühlt, gute Leistungen bringt und auch das Erlernen neuer Aufgaben für den flexibleren Personaleinsatz nicht unbedingt notwendig ist, können Sie darauf verzichten.
  4. 4
    Anforderungsanalyse durchführen
    Wenn sich abzeichnet, dass Jobenlargement für einen bestimmten Mitarbeiter sinnvoll sein könnte, führen Sie eine Anforderungsanalyse durch. Untersuchen Sie dafür die physischen und psychischen Beanspruchungen der aktuellen Arbeitsstelle, um bewusst neue Aufgaben auswählen zu können, die einen Ausgleich dazu schaffen.
  5. 5
    Mit Arbeitnehmer einigen
    Bedenken Sie, dass jeder Arbeitnehmer andere Eigenschaften, Fähigkeiten und Bedürfnisse hat, sodass es kein Standardrezept für die neue Arbeitsstrukturierung geben kann. Beziehen Sie deshalb den jeweiligen Mitarbeiter in die Planung ein, anstatt die Maßnahme einseitig zu beschließen.
  6. 6
    Gründe erklären
    Erklären Sie dem Mitarbeiter, welche Vorteile ihm das Jobenlargement bringt (mehr Abwechslung, Verhinderung einseitiger Belastung, neue Fähigkeiten). Das ist besonders wichtig, da die Maßnahme i. d. R. nicht mit einer Gehaltssteigerung verbunden ist. Auf keinen Fall darf der Eindruck entstehen, dass dadurch Arbeitsplätze wegrationalisiert werden.
  7. 7
    Zeitausgleich beachten
    Vermeiden Sie bei der Umsetzung Arbeitsverdichtung, indem Sie den für die zusätzlichen Aufgaben notwendigen Zeitausgleich einplanen. Eventuell lässt sich dafür eine Erweiterung der Aufgaben für zwei oder mehrere Angestellte miteinander kombinieren.
  8. 8
    Eventuell Betriebsrat einbeziehen
    Falls sich die Arbeitsumstände durch die zusätzlichen Aufgaben erheblich ändern, müssen Sie die Zustimmung des Betriebsrates einholen. Das gilt gemäß § 95 Abs. 3 i. V. m. § 99 BetrVG für Unternehmen, in denen ein Betriebsrat vorhanden ist, und die mehr als 20 dafür wahlberechtigte Angestellte beschäftigen.
  9. 9
    Auf gute Einarbeitung Wert legen
    Auch wenn die neuen Arbeiten ein ähnliches Anforderungsniveau haben, ist eine Einarbeitung notwendig. Bestimmen Sie einen Mentor, der diese Aufgabe übernimmt.
  10. 10
    Feedbackgespräche führen
    Informieren Sie sich auch im Nachhinein beim Mitarbeiter und ggf. auch beim Vorgesetzten über den Erfolg des Jobenlargements. Ergreifen Sie bei Problemen rechtzeitig passende Gegenmaßnahmen.

Das Enlargement von einem Job lässt sich selten nur für einen einzelnen Arbeitnehmer umsetzen. Denn die neuen Aufgaben hat in den meisten Fällen vorher ein anderer erledigt und die bisherige Tätigkeit kann ebenfalls nicht mehr im gleichen Umfang ausgeübt werden. Planen Sie die Maßnahme deshalb möglichst so, dass mehrere Mitarbeiter davon profitieren.

Fazit: Jobenlargement individuell realisieren

Wenn einzelne Tätigkeiten zu monoton sind und die Leistungsfähigkeit der Arbeitnehmer darunter leidet, kann Jobenlargement zur Lösung dieser Probleme beitragen. Dabei geht es darum, die Arbeit neu zu strukturieren, um sie besser an die physischen und psychischen Bedürfnisse der Mitarbeiter anzupassen.

In diesem Rahmen müssen sowohl die Anforderungen der Arbeitsstellen als auch die individuellen Eigenschaften und Fähigkeiten der Mitarbeiter analysiert werden. Dazu ist es wichtig, den Dialog mit den Angestellten zu suchen und eine offene Kommunikation zu pflegen.

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Roul Radeke ist Gründer und Geschäftsführer von Selbststaendigkeit.de. Das Onlineportal bietet Existenzgründern und Unternehmern News aus der Gründer- und Unternehmerszene, hilfreiches Wissen für die Gründung und Führung von Unternehmen, geförderte Existenzgründungsberatung (AVGS-Coaching) sowie digitale Produkte für die Selbstständigkeit.

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