Hermann, was ist Dein wichtigster Tipp für Jungunternehmer, die gerade selbst gegründet haben?
Schnell verstehen, wer alles von deiner Lösung profitiert und dafür Geld ausgeben will. Also: Wer sind die Kunden.
Was waren Deine Top 3 Learnings?
- Es dauert immer 8-mal so lang wie du gedacht hast.
- Sich nicht mit Lob und Anerkennung zufrieden geben, davon kann man nicht leben.
- Man kann nicht genug Kaffee trinken.
Was steckt hinter naturtrip.org?
Wir wollen Ausflüge und Urlaub mit Zug und Bus einfach machen und wollen mitverdienen an den Akteuren, die von uns profitieren. So sollen Tourismusregionen für unser Routing bezahlen, bei Tickets von Verkehrsverbünden und DB wollen wir mitverdienen und einzelne touristische Betriebe können ein Premium-Paket buchen.
Wer ist Deine Zielgruppe und über welche Kanäle gewinnst Du sie?
Menschen in größeren Städten, die jetzt schon die Verkehrsmittel mixen. In Berlin etwa hat die Hälfte der Haushalte gar kein Auto. Und viele, die ein Auto haben, benutzen im Alltag jetzt durchaus die Öffis. Wir wollen die dazu kriegen, auch für Ausflüge aufs Auto zu verzichten. Wir erreichen unsere Zielgruppen mit PR, haben gute Kontakte zu den Medien, unsere Plakate hängen in Zügen und wir haben unsere eigenen Kanäle wie Facebook, Blog, Twitter etc.
Naturtrip.org routet immer nur zu gut mit Bus und Bahn erreichbaren Ausflugszielen
Welches Problem löst naturtrip.org?
Es ist Wochenende, der Tag wird sonnig. Du willst schnell raus ins Grüne. Am besten irgendein schöner Strand am See. Du hast kein Auto. Du willst nicht 2 Stunden recherchieren, welcher Badesee gut mit Bahn und Bus angebunden ist und wo am See genau die Badestelle ist. Du gehst auf naturtrip.org, gibst ein: „Badestrand in höchstens 30 min“. Wir filtern alle schönen Badestrände und zeigen dir nur solche, die für dich in höchstens 30 min mit Bahn, Bus oder Fahrrad zu erreichen sind. Und wir zeigen dir auf der interaktiven Karte gleich die Verbindung dorthin.
Was hat Dich bewogen naturtrip.org zu gründen?
Ich lebe im Prenzlauer Berg, wenn man von dort paddeln gehen will, fährt man am schlauesten von Bahnhof Gesundbrunnen nach Fürstenberg, geht dort ein paar Meter zum See runter, dort ist ein Kanuverleih. Man kann also von Berlin aus in unschlagbaren 70 min in einem Boot auf einem wunderschönen See sitzen. Den Tipp hatte ich von Freunden. Die Idee war, solche Tipps zu systematisieren und immer nur solche gut erreichbaren Ausflugsziele auf einer interaktiven Karte anzuzeigen. Gut erreichbar heißt schnell, ohne viele Umstiege und kurzen Fußweg zum Ausflugsziel.
Was ist das Besondere an dem Startup naturtrip.org?
Alle anderen Outdoor-Karten vergessen die Leute, die kein Auto haben. Und bei Ausflugstipps in Zeitschriften oder Zeitung steht wenn überhaupt nur dabei, welcher Zug oder Bus dort hin fährt. Ich hab aber nirgendwo einen Überblick, welches Ziel von meinem Wohnort aus gut zu erreichen ist. Weil ja von Kreuzberg aus andere Klettergärten besser erreichbar sind als von Reinickendorf. Bei google seh ich das auch nicht, ich seh zwar alle Kletterwälder, aber ich müsste dann bei jedem einzelnen nachschauen wie schnell ich dort bin. Denn die räumliche Entfernung sagt meist wenig über die zeitliche Entfernung aus. Zwei Klettergärten, die bei google gleich weit weg aussehen, sind mit Öffis oft sehr unterschiedlich gut zu erreichen. Zum einen muss man dreimal umsteigen, zum anderen kommt man direkt hin. Auf naturtrip.org zeigen wir auf einen Blick welcher von deinem Standort aus besser erreichbar ist.
Warum heißt Ihr so wie Ihr heiß?
Wir wollten keinen nichtssagenden englischen Namen, der nur cool klingt. Wir wollten, dass unsere Idee bereits im Namen steckt. Und weil wir Trips in die Natur einfach machen, heißen wir logischerweise naturtrip.org.
Das naturtrip.org Team Hermann Weiß, Andreas Boos, Sarah Hoffmann, Isabell Eberlein und Judith Kammerer
Hast Du von Anfang an Geld verdient oder gab es auch richtige Durststrecken?
Wir hatten Glück, dass das Bundesumweltministerium uns im Rahmen der Nationalen Klimaschutzinitiative NKI gefördert hat. Als erstes Startup überhaupt. Dafür können wir nicht genug dankbar sein. Und dann haben wir beim Pitch des Accelerators der Deutschen Bahn, der DB mindbox in der Jannowitzbrücke gewonnen. Neben der finanziellen Unterstützung bekommen wir hier auch tolle Coachings und blendende Kontakte in den Konzern. Die DB nimmt Digitalisierung wirklich ernst, legt ein unglaubliches Tempo vor bei Open Data. Die Hacker Szene, die sich vor wenigen Jahren noch Battles mit der DB geliefert hat, arbeitet jetzt eng mit der DB zusammen, das macht richtig Spaß und wir sind mittendrin.
Hast Du Dich sofort Vollzeit selbstständig gemacht?
Ich hab einige Jahre als Freelance Texter in der Werbung gearbeitet, hier verdient man gut und damit konnte ich naturtrip.org ein paar Jahre quersubventionieren. Aber seit ich mit Judith 2014 die naturtrip GmbH gegründet hab und wir Sarah, Isabell und Andreas, unsere tollen Mitarbeiter mit an Bord haben, ist naturtrip.org ein Fulltime Job.
Wie sieht aktuell Deine Arbeitswoche aus?
Sonntag ist meist frei, aber ansonsten malochen wir durch. Aktuell machen wir mit der Deutschen Zentrale für Tourismus eine Instagram Kampagne, um in den Nachbarländern von Deutschland für Naturtourismus zu werben. Natürlich mit Bus und Bahn. Zwei tolle junge Influencer kurven gerade durch 16 wilde Naturregionen in Deutschland, machen Fotos und posten die auf Instagram. Wir haben das Konzept dafür erstellt, organisieren alles und schalten Werbung.
Wo siehst Du naturtrip.org in 5 Jahren?
Wir haben uns als Marke etabliert für Tourismus – und alles nach wie vor ohne Flugzeug und Auto. Alles andere ist erlaubt. Ein große Community lädt Fotos und Texte von schönen Zielen hoch, das geht sogar jetzt schon. Wir haben naturtrip.org in den größten Teilen von Europa ausgerollt, der Rubel rollt und wir haben vielleicht auch mal Zeit, zu den schönen Zielen hinzufahren, die wir so anpreisen.
Herzlichen Dank für das Interview! Wir wünschen Euch weiterhin viel Erfolg und freuen uns jetzt schon darauf Neues von Euch und naturtrip.org zu hören!