Johannes, was ist Dein wichtigster Tipp für andere Startups?
Ich glaube, am wichtigsten ist es sich jeweils nur auf ein Ziel zu fokussieren. Ihr solltet entscheiden, was aktuell die höchste Priorität für euch hat und dann nur daran arbeiten bis das Ziel erreicht ist oder ein anderes wichtiger wird. Das klingt ganz einfach, ist es aber nicht. Als neuer Unternehmer sieht man überall zahlreiche Baustellen und man bekommt von vielen Seiten Tipps für die verschiedensten Dinge, um die man sich doch mal kümmern sollte. Da fällt es leicht sich ablenken zu lassen.
Was waren Deine Top 3 Learnings bei der Unternehmensgründung?
Am Anfang habe ich diverse Bücher gelesen, in der Hoffnung, dass sie mich auf die unternehmerische Erfahrung vorbereiten. Im Endeffekt hat mir das aber ziemlich wenig gebracht und ich bin jetzt überzeugt, dass man Entrepreneurship nur durch eigene unternehmerische Erfahrungen erlernen kann. Ich glaube, einer der Gründe dafür ist, dass es am Anfang viel um mentale Herausforderungen geht: wie gehe ich mit der Unsicherheit um? Wie motiviere ich mich nach Rückschlägen? Damit kann man sich nicht sinnvoll theoretisch befassen.
Und, wenn man soweit ist, dass man ein eigenes Produkt entwickeln möchte, dann sollte man sich sehr genau überlegen, ob das Produkt als mobile App umgesetzt wird. In manchen Fällen ist die Entscheidung klar, aber bei allen anderen sollte man gut abwägen, ob man sich den Einschärnkungen des App-Store-Modells unterwerfen möchte.
Was ist Dein Geschäftsmodell?
Für den Moment verfolgen wir ein klassisches B2C-Modell, bei dem die Nutzer eine einmalige Kursgebühr für das Selbsthilfeprogramm entrichten müssen. Langfristig hoffe ich, dass mehr und mehr digitale Angebote auch in die Regelversorgung der Krankenkassen aufgenommen werden – und dass WeMingo dann zu diesen Angeboten gehört.
Wer ist Deine Zielgruppe und wie erreichst Du sie?
Die Zielgruppe von WeMingo sind momentan diejenigen, die sich aufgrund ihrer “schüchternen Blase” in ihrer Lebensgestaltung eingeschränkt fühlen. Dabei richten wir uns zunächst an Betroffene im deutschsprachigen Raum. Später möchten wir das Angebot internationalisieren und womöglich auch auf ähnliche Angststörungen ausweiten.
Ein weiteres Learning ist für mich, dass man nicht immer ein eigenes Produkt braucht, um auf die Zielgruppe zugehen zu können. Am Anfang kann man z.B. durch guten Content schon einen Mehrwert bieten.
Wie bist Du darauf gekommen WeMingo zu gründen?
Ich hatte schon länger mit dem Gedanken gespielt, etwas Eigenes auf die Beine zu stellen. Ich habe mir dann überlegt: wie kann ich anderen helfen? Und mit welchem Problem kenne ich mich eigentlich selber aus? So bin ich dann letztendlich beim Thema “schüchterne Blase” gelandet.
Was ist das Besondere an dem Startup WeMingo?
Aktuell ist es die ambulante Psychotherapie, die Betroffenen beim Überwinden der Problematik helfen kann. Es ist allerdings gar nicht so einfach einen Ansprechpartner zu finden, der sich mit Paruresis auskennt. WeMingo bündelt Fachwissen für die Problematik und bietet mit dem Online-Selbsthilfeprogramm eine Alternative, die zeitlich flexibel und anonym genutzt werden kann.
Wie liefen Deine ersten Monate in der Startphase an?
Am Anfang habe ich mich auf zwei Dinge konzentriert: einerseits wollte ich möglichst viel Feedback für meine Idee bekommen, andererseits habe ich Mitstreiter gesucht, die mich bei dem Vorhaben unterstützen können. Letzteres ist mir gelungen, indem ich Pavle gefunden habe, der mich als Psychologe und Experte im Bereich Online-Therapie unterstützt. Für das Feedback haben wir dann an diversen Businessplanwettbewerben teilgenommen. Das war ganz gut, hat aber gleichzeitig auch viel Zeit in Anspruch genommen. Wir haben uns dann in die Produktentwicklung gestürzt und in einem ersten Schritt die WeMingo Paruresis Tracker App entwickelt. Die hat uns wertvolle Erkenntnisse eingebracht, die wir nun bei der Entwicklung des Online-Selbsthilfeprogramms einbringen können.
Zwischenzeitlich haben wir auch ein Berliner Startup Stipendium bekommen, das über die Freie Universität Berlin vergeben wurde. Das ist natürlich eine sehr willkommene Unterstützung bei der weiteren Entwicklung.
Wo siehst Du Dich und WeMingo in 5 Jahren?
Mein Ziel ist es WeMingo als die erste Anlaufstelle für Menschen mit Paruresis zu etablieren und ein qualitativ hochwertiges Angebot zu bauen. Dazu gehört für mich auch eine wissenschaftliche Evaluation. Wenn es gut läuft, werden wir das gesammelte Wissen auch dazu nutzen, um unser Angebot auf weitere Angststörungen auszuweiten.
Herzlichen Dank für das Interview! Wir wünschen Dir weiterhin viel Erfolg und freuen uns jetzt schon darauf Neues von Dir und WeMingo zu hören!