Guten Tag Herr Franzke. Wir freuen uns, Sie bei uns begrüßen zu dürfen. In unserem heutigen Gespräch wollen wir uns über das Thema Insolvenz unterhalten. Ehe wir genauer darauf eingehen, möchten Sie sich unseren Lesern aber zunächst kurz vorstellen?
Gern. Ich arbeite seit 26 Jahren als Anwalt. Begonnen habe ich in einer Spezialkanzlei für Vermögens- und Nachlassverwaltung. Nach zwei Jahren wechselte ich als Referent in einen Ableger der Treuhandanstalt, der der Oberfinanzdirektion Berlin angeschlossen war. Damals übertrug ich unter anderem ehemals volkseigene Liegenschaften wie Gebäude, Straßen und Gewässer an Kommunen. Dort war ich 8 Jahre tätig.
Wann kam es zur Eröffnung Ihrer Kanzlei?
Parallel zu meiner Tätigkeit bei der Treuhandanstalt war ich als Anwalt tätig und habe Seminare veranstaltet. Damals hat mich mein langjähriger Freund und heutiger Partner Matthias Dols dazu angehalten, eine Kanzlei mit ihm zu gründen. Als die Zeit bei der Treuhandanstalt vorbei war, stieg ich bei ihm ein.
Haben Sie sich in dieser Zeit dem Insolvenzrecht zugewandt?
Ja. Damals trat gerade das Verbraucherinsolvenzrecht in der heute bekannten Form in Kraft. Ich habe mich förmlich auf das Thema gestürzt und mich bei Berliner Gerichten als Insolvenzverwalter und Treuhänder beworben. Damals wollte das kein anderer Anwalt machen, weil es nur eine Grundvergütung von 250 Euro gab. So waren ich und Matthias Dols allein damit.
Zu dieser Zeit haben wir die Verfahren im ehemaligen Amtsgericht Hohenschönhausen „schubkarrenweise“ abgeholt. Die Vergütung wurde später auf 600 Euro erhöht und wir waren im Geschäft. Allerdings wurde dann auch die Konkurrenz stärker und die gerichtlichen Bestellungen zum Insolvenzverwalter nahmen ab.
Welche besonderen Erinnerungen haben Sie an diese Zeit?
In dieser Zeit habe ich mir unter anderem Möglichkeiten aufgebaut, Mandanten in England und Frankreich zu entschulden. Damals hatte insbesondere das englische Insolvenzverfahren enorme Vorteile gegenüber dem deutschen. Das war eine unheimlich spannende Zeit – einerseits das englische Insolvenzrecht kennenzulernen, Mandanten zu betreuen und andererseits an Gerichtsverfahren am ehrwürdigen High Court of Justice in London beteiligt zu sein. Deutsche Gläubiger und Gerichte fanden mein Angebot allerdings nicht so nett und man versuchte oft, mich in Misskredit zu bringen. Aber ich habe mich durchgesetzt. Heute ist das Insolvenzverfahren in England vollständig anerkannt.
Im Interview Jörg Franzke, Rechtsanwalt für Insolvenzrecht, Bildquelle: Liegt beim Eigentümer
Warum ist das Thema Insolvenzrecht so interessant für Sie?
Dem Insolvenzrecht habe ich mich zugewandt, weil es nicht in meiner Natur liegt zu streiten. Ich möchte Konflikte bereits im Vorfeld beilegen und für alle Beteiligten das Bestmögliche herausholen. Bei meiner Arbeit als Sanierungsberater für Unternehmer und Schuldenberater von Privatpersonen bin ich regelmäßig mit Situationen konfrontiert, die genau dies erfordern. Oft gibt es vermeintlich übermächtige Gläubiger, die das Unternehmen liquidieren wollen. Meine Aufgabe ist es dann, es an allen Gefahren vorbeizuführen, zu erhalten und schließlich zu entschulden.
Können Sie unseren juristisch nicht vorgebildeten Lesern einen kurzen Einblick in das Thema Insolvenzrecht geben?
Eine Insolvenz ist ein formales Verfahren, das im Wesentlichen zwei Ziele verfolgt. Auf der einen Seite sollen die Gläubiger bestmöglich und gerecht befriedigt werden. Auf der anderen Seite sollen auch die Rechte des Schuldners geschützt werden. So sind beispielsweise bestimmte Gegenstände, aber auch das Einkommen bis zu einer bestimmten Höhe abgesichert. Auf diese Weise ist das Existenzminium ebenso garantiert wie die finanzielle Möglichkeit, sich unternehmerisch neu aufzustellen und Wirtschaftskraft wiederzuerlangen.
Nehmen wir einmal an, jemand nimmt die ersten Warnzeichen für eine Insolvenz wahr. Wie sollte er sich verhalten?
Da gibt es eigentlich kaum Alternativen. Schon bei schwachen Signalen sollte man mit einem Rechtsanwalt sprechen und sich bestmöglich auf den Ernstfall vorbereiten. Oft sind es jedoch Scham oder der Unwillen zur Kapitulation, die Betroffene davon abhalten. Dabei kann ich aus Erfahrung sagen, dass eine Insolvenz keine Schande ist. Viele Unternehmen unterschiedlichster Größenkategorien sind davon betroffen. In vielen Fällen ist eine Insolvenz sogar eine Möglichkeit zu einem geregelten nachhaltigen Neuanfang.
Eine wichtige Rolle spielen dabei sogenannte Schutzschirmverfahren. Was hat es damit auf sich?
Die Schutzschirmverfahren kamen im Jahr 2012 auf. Dabei handelt es sich um eine spezielle Form des Insolvenzverfahrens, in dem das Unternehmen nicht zerschlagen, sondern nach Möglichkeit erhalten wird. Maßgeblich ist die dabei die Eigenverwaltung. Der Geschäftsführer ist sein eigener Insolvenzverwalter.
Auch hier habe ich Pionierarbeit geleistet. Eines der ersten Verfahren war der Fuhrpark des Deutschen Bundestages. Mittlerweile habe ich als Sanierungsberater über 75 Unternehmen durch diese Verfahren geführt.
Schon bei den ersten Warnzeichen für eine Insolvenz ist es ratsam einen Rechtsanwalt aufzusuchen. Bildquelle: Selbststaendigkeit.de
In welchen Situationen setzen sich Betroffene mit Ihnen in Verbindung?
Das ist ganz unterschiedlich. Wir betreuen Unternehmen mit 700 Mitarbeitern, aber auch Abgeordnete, Mitglieder des deutschen Hochadels und Hartz-IV-Bezieher. Eine Insolvenz kann grundsätzlich erst einmal jeden betreffen.
Welche Gründe führen Ihrer Erfahrung nach am häufigsten zu Insolvenzen?
Ursachen für Insolvenzen sind vielfältig. In vielen Fällen entstehen sie durch äußere Krisen. Das kann etwa die Zahlungsunfähigkeit von Kunden sein. Viele unserer Mandanten rutschen in die Insolvenz, weil ihre Kunden ihren Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen können. Vor allem bei einer aktuellen Extremsituation wie Corona betrifft das viele Unternehmen.
Im privaten Bereich sind es häufig familiäre Ursachen, die zu Insolvenzen führen. Ein besonders heikles Thema sind Scheidungen. Auch Erkrankungen von Familienangehörigen können durch die damit verbundenen plötzlichen Belastungen zur finanziellen Krise führen.
Zu guter Letzt sind Fehler in der Unternehmensführung für die Insolvenz verantwortlich. So kommt es etwa häufig vor, dass nicht ausreichend Rücklagen gebildet werden oder dass Märkte im Vorfeld einer Unternehmung falsch analysiert wurden.
Kann man sich gegen Insolvenzen absichern?
Sicher gibt es immer Fälle, auf die man sich nicht ohne weiteres vorbereiten kann. Man kann aber einiges dafür tun, das Insolvenzrisiko zu minimieren. Wichtig ist es vor allem, in guten Zeiten finanzielle Reserven für Krisenzeiten aufzubauen. Schließlich können sie immer wieder auftreten und einen unerwartet treffen.
Darüber hinaus ist eine solide Unternehmensführung unerlässlich. Wer sich für das Abenteuer Selbstständigkeit entscheidet, sollte vorher sehr genau kalkulieren, ob seine Produkte und Dienstleistungen sich auch auf dem Markt durchsetzen können.
Wir bedanken uns für das Gespräch und die interessanten Einblicke.
Jederzeit gern!