Berufsunfähigkeit – das Verfahren und die Besonderheiten im Überblick

Verfasst von Dennis.Singh. Zuletzt aktualisiert am 13 März, 2024
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Die Fähigkeit, im eigenen Beruf zu arbeiten, ist nicht nur eine Frage der Identität, sondern auch der finanziellen Sicherheit. Ein unerwarteter Unfall oder eine plötzliche Krankheit können diese Sicherheit jedoch schnell ins Wanken bringen. Nach Angaben der staatlichen Rentenversicherung erhält jeder fünfte Neurentner eine Erwerbsminderungsrente. Trotz dieser alarmierenden Statistik und der begrenzten Unterstützung durch die gesetzliche Rentenversicherung vernachlässigen viele Berufstätige den Schutz durch eine private Absicherung. Bei Freiberuflern und Selbständigen ist das Risiko deutlich höher, da sie häufig keine Sozialabgaben leisten und somit bei Berufsunfähigkeit ohne staatliche Unterstützung dastehen. Für diese Personengruppen ist eine private Berufsunfähigkeitsversicherung nicht nur empfehlenswert, sondern unerlässlich. Doch wie sieht der Weg von der Feststellung der Berufsunfähigkeit bis zur Versicherungsleistung aus? Und wie ist das weitere Vorgehen bei Ablehnung durch die Versicherung?  

Wann liegt eine Berufsunfähigkeit vor?

Eine Berufsunfähigkeit (BU) liegt dann vor, wenn eine Person für einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten und auf Dauer nur noch bis zu 50 Prozent der wöchentlichen Arbeitszeit ihrer bisherigen Tätigkeit nachgehen kann. Bei einer normalen Vollzeitbeschäftigung von 40 Stunden bedeutet dies, dass nur noch 20 Stunden gearbeitet werden kann. Allerdings gilt die 50-Prozent-Grenze nicht in allen Fällen. Von Berufsunfähigkeit kann auch dann gesprochen werden, wenn der wesentliche Kern der Tätigkeiten nicht mehr verrichtet werden kann.

Psychische und nervliche Erkrankungen sind die Hauptgründe für Berufsunfähigkeit und machen 43 Prozent aller Fälle aus. Besonders Krankheiten wie Depressionen oder Burnouts verhindern oft, dass Versicherte ihren Beruf weiter ausüben können. Auf psychische Erkrankungen folgen körperliche Beschwerden, insbesondere Probleme mit der Wirbelsäule, Gelenken und Muskulatur. In Berufen mit starker körperlicher Beanspruchung sind Beeinträchtigungen des Bewegungsapparates oft der Grund für Arbeitsunfähigkeit. Andere häufige Ursachen sind Herz-Kreislauf-Probleme, Krebserkrankungen und Unfälle.

Der behandelnde Arzt stellt die Erkrankung fest und gibt basierend auf seiner Einschätzung ein Attest aus, das häufig zunächst die Arbeitsunfähigkeit bescheinigt. Stellt der Arzt zusätzlich eine Berufsunfähigkeit oder „dauerhafte Arbeitsunfähigkeit“ fest, wird dies ebenfalls im Attest vermerkt. Dieses Attest dient als Basis, um den nächsten Schritt zu initiieren: die Information der Versicherung.

Der Leistungsantrag – der erste Schritt

Das eigentliche BU-Verfahren beginnt mit der Einreichung des Leistungsantrags, mit dem der Versicherer über den Eintritt des Versicherungsfalls informiert wird. Eine ausführliche Begründung der Berufsunfähigkeit im Antrag kann die Auszahlung beschleunigen. Dem Antrag sollten eine ausführliche Darstellung der Ursachen der Berufsunfähigkeit, detaillierte Berichte der behandelnden Ärzte, die die Berufsunfähigkeit begründen und die voraussichtliche Dauer der Berufsunfähigkeit prognostizieren, sowie Unterlagen, die den Beruf, die Position und die Tätigkeiten beschreiben, beigefügt werden. Diese Unterlagen sollten auch genaue Angaben über den Zeitaufwand für die einzelnen Tätigkeiten enthalten.

Die Informationen, die ein Versicherter im Leistungsantrag angibt, beeinflussen häufig den gesamten weiteren Ablauf des BU-Verfahrens. Unkorrekte Angaben können später im Prozess oft nur schwer oder gar nicht mehr berichtigt werden. Daher sollten Personen mit einer Berufsunfähigkeitsversicherung in Erwägung ziehen, sich schon bei der Antragstellung juristisch unterstützen zu lassen.

Hier kann die Deutsche Schadenshilfe weiterhelfen. Die im Expertennetzwerk der Deutschen Schadenshilfe zusammengeschlossenen Fachanwälte für Versicherungsrecht sind auf Berufsunfähigkeit spezialisiert. Sie kennen die Strategien und Vorgehensweisen, mit denen sich BU-Versicherer häufig ihrer Leistungspflicht entziehen.

Nach dem Antrag prüft der Versicherer die eingereichten Unterlagen. In einigen Fällen beauftragt das Versicherungsunternehmen einen Gutachter, der anhand der Unterlagen und des Berufsalltags eine Beurteilung der Berufsunfähigkeit vornimmt.

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Berufsunfähigkeit – das Verfahren und die Besonderheiten im Überblick. Bildquelle: Depositphotos.com

Antragsablehnung – juristische Beratung ist oft unerlässlich

Wenn der Versicherer den Antrag eines Versicherten auf Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung zurückweist, sollte der Versicherte diese Entscheidung juristisch überprüfen lassen. Ein Rechtsanwalt kann außergerichtlich bewerten, ob die Ablehnung des Versicherers gerechtfertigt ist oder ob es sinnvoll ist, gegen diese Entscheidung vorzugehen.

,Häufig begründen Versicherer die Ablehnung der BU-Rente und Beitragsbefreiung damit, dass der Versicherte die Berufsunfähigkeit nicht ausreichend nachgewiesen hat. Dabei dürfen die Anforderungen an diesen Nachweis nicht überzogen sein. Oftmals werden medizinische Prognosen von den Versicherern ungerechtfertigt nicht akzeptiert. Der genaue Wortlaut der Versicherungsbedingungen bestimmt, welche Beweise im Konfliktfall vorgelegt werden müssen.

Insbesondere bei Selbstständigen argumentieren Versicherer regelmäßig mit möglichen Umstrukturierungen im Unternehmen. Doch gerade Kleinunternehmen können solche Anpassungen nicht immer vornehmen und sind dazu auch nicht verpflichtet. Dennoch kann es herausfordernd sein, schlüssig zu belegen, dass eine solche Umstrukturierung für den Versicherten unzumutbar wäre.

Die Klage als Mittel der Rechtsdurchsetzung

Kommt es zu keiner außergerichtlichen Einigung, kann gegen die Berufsunfähigkeitsversicherung Klage erhoben werden. Wegen der hohen Streitwerte finden diese Verfahren in der Regel vor den Landgerichten statt. Ein vom Gericht bestellter Sachverständiger klärt die vor Gericht häufig diskutierten Fragen über das Vorliegen und den Grad der Berufsunfähigkeit. Dieser Gutachter beurteilt den Sachverhalt anhand der Krankenakte und einer körperlichen Untersuchung des Versicherten.

Endet das Verfahren mit einem Urteil, kann Berufung eingelegt werden, worauf das zuständige Oberlandesgericht mit dem Fall befasst wird. Wird das Verfahren durch einen Vergleich beendet, ist dieser rechtskräftig und eine Wiederaufnahme des Verfahrens ist in der Regel nicht möglich.

Zahlungen der Versicherung und das Nachprüfungsverfahren

Bei anerkannter oder durchgesetzter Berufsunfähigkeit leistet die Versicherung dem Versicherten eine monatliche Rente, um den Einkommensverlust auszugleichen. Die Rentenhöhe basiert auf den vertraglichen Vereinbarungen und dem festgestellten Grad der Berufsunfähigkeit. Bereits bei Vertragsabschluss ist die potenzielle Rentenhöhe festgelegt. Deshalb ist es ratsam, beim Abschluss der BU-Versicherung sorgfältig zu prüfen, ob im Ernstfall die wesentlichen Lebenshaltungskosten abgedeckt sind. Die BU-Rente kann zum Beispiel 70 bis 80 Prozent des Nettoeinkommens entsprechen.

Im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens darf der Versicherer überprüfen, ob die zuvor festgestellte Berufsunfähigkeit weiterhin besteht oder ob sich der Gesundheitszustand des Versicherten verbessert hat. Wenn der Versicherte genesen ist und der festgelegte Grad der Berufsunfähigkeit nicht mehr gegeben ist, kann die Leistungspflicht des Versicherers entfallen.

Während des Nachprüfungsverfahrens hat der Versicherte bestimmte Mitwirkungs- und Informationspflichten gegenüber dem BU-Versicherer. Eine passive Haltung oder das Ignorieren des Verfahrens kann zur Einstellung der Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung führen. Daher ist es ratsam, dass sich Versicherte im Nachprüfungsverfahren von einem auf Versicherungsrecht spezialisierten Anwalt unterstützen lassen.


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