Wie funktioniert die Umsatzsteuer und welche Folgen hat eine Befreiung?
Grundsätzlich unterliegt jede unternehmerische Lieferung oder Leistung der Umsatzsteuer. Wenn ein Unternehmen eine Rechnung ausstellt oder Geld für seine Leistungen kassiert, schlägt es die Umsatzsteuer auf, die es an das Finanzamt abführt. Der Prozentsatz dafür beträgt im Normalfall 19 Prozent. Daneben gibt es einen ermäßigten Steuersatz von 7 Prozent, dessen Anwendung detailliert in § 12 Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes geregelt ist, unter anderem für:
Das Unternehmen erhält jedoch die im Rahmen seiner Einkäufe an andere Unternehmen gezahlte Umsatzsteuer als Vorsteuer vom Finanzamt zurück. Mit jeder vierteljährlichen oder monatlichen Umsatzsteuervoranmeldung erfolgt eine Verrechnung der eingenommenen Umsatzsteuer mit der gezahlten Vorsteuer, was zu einer Nachzahlung oder Erstattung führt. Dabei ergeben sich die Vorsteuerbeträge aus den Eingangsrechnungen und die Umsatzsteuerbeträge aus den Ausgangsrechnungen. Jedes Unternehmen einer Lieferkette versteuert demzufolge nur den von ihm geschaffenen Mehrwert, weshalb man die Umsatzsteuer auch oft als Mehrwertsteuer bezeichnet.
Die wirtschaftlichen Träger dieser Steuer sind letztendlich die nicht zum Vorsteuerabzug berechtigten Endverbraucher. Das sind hauptsächlich private Konsumenten, aber auch einige Unternehmer, die umsatzsteuerbefreit und deshalb nicht vorsteuerabzugsberechtigt sind.
In welchen Fällen ist eine Umsatzsteuerbefreiung möglich
Eine Umsatzsteuerbefreiung für das gesamte Unternehmen ist grundsätzlich nur im Rahmen der Kleinunternehmerregelung möglich. Kleinunternehmer erzielen nur geringe Umsätze innerhalb festgelegter Grenzen. Sie führen keine Umsatzsteuer an das Finanzamt ab, dürfen aber auch keine Vorsteuer abziehen. Achtung: Wenn Sie ein Kleingewerbe anmelden, können Sie in vielen Fällen die Kleinunternehmerregelung nutzen. Wenn Sie unsicher sind, lassen Sie sich am besten steuerlich beraten.
Daneben gibt es bestimmte steuerbefreite Umsätze, wobei einige zum Vorsteuerabzug berechtigen und andere nicht. Im ersten Fall kann das Unternehmen die Vorsteuer für Einkäufe, die mit diesem Umsatz in Zusammenhang stehen, vom Finanzamt zurückfordern. Im zweiten Fall ist das nicht möglich. Manche Unternehmen erbringen sowohl steuerpflichtige als auch steuerbefreite Umsätze, wovon wiederum einige zum Vorsteuerabzug berechtigen und andere nicht.
Versicherungsmakler, Musiker, Ärzte – Steuerbefreiung bestimmter Umsätze
Zu den steuerbefreiten Umsätzen mit Vorsteuerabzugsmöglichkeit gehören die in § 4 Nr. 1–7 UStG genannten Sachverhalte, die hauptsächlich mit Import- und Exportgeschäften zusammenhängen. Weiterhin zählen einige Reiseleistungen nach § 25 Abs. 2 UStG und Sonderfälle gemäß § 26 Abs. 5 UStG dazu.
Für viele Freiberufler und Gewerbetreibende, aber auch für Vereine und öffentliche Einrichtungen, sind die in § 4 Nr. 8-28 UStG aufgeführten Tatbestände interessant. Diese Umsätze sind steuerfrei und berechtigen nicht zum Vorsteuerabzug für den damit in Zusammenhang stehenden Aufwand.
Dazu gehören unter anderem:
Es müssen im Einzelfall immer konkrete Voraussetzungen für die Umsatzsteuerbefreiung erfüllt sein, weshalb im Zweifel eine fachkundige Beratung empfehlenswert ist.
Diese Leistungen sind von Gesetzes wegen umsatzsteuerbefreit. Das bedeutet, dass Sie keine Umsatzsteuerbefreiung dafür beantragen müssen und das auch nicht können. Allerdings fordert das Finanzamt in einigen Fällen bestimmte Nachweise. Es gibt unter den aufgeführten Tatbeständen nur elf, für die gemäß § 9 UStG ein Verzicht auf die Umsatzsteuerbefreiung möglich ist, was wegen der Vorsteuerabzugsmöglichkeit lohnenswert sein kann.
Weiterhin sind Umsatzsteuerbefreiungen bei grenzüberschreitenden Geschäften zu beachten. Sowohl bei Importen aus einem anderen EU-Staat (innergemeinschaftlicher Erwerb) als auch aus einem Nicht-EU-Staat (Einfuhrumsatzsteuer) ist der Importeur im Normalfall steuerpflichtig. Die Paragrafen 4b und 5 UStG regeln entsprechende Steuerbefreiungen.
Beispiele für Umsatzsteuerbefreiungen nach § 4 UStG
Das Orchester eines Musikvereins tritt regelmäßig öffentlich auf und erzielt dadurch Einnahmen. Diese sind nach § 4 Nr. 20a umsatzsteuerbefreit, weshalb der Verein auch keine Vorsteuer aus der Anschaffung von Instrumenten, Notenmaterial oder Auftrittskleidung vom Finanzamt erstattet bekommt. Für die Umsatzsteuerbefreiung fordert das Finanzamt eine Bescheinigung der zuständigen Behörde, die es jedoch auch selbst beantragen kann. Welche Behörde zuständig ist, unterscheidet sich regional.
Ein Immobilienmakler arbeitet gleichzeitig für eine Bausparkasse. Die Tätigkeit für die Bausparkasse ist nach § 4 Nr.11 umsatzsteuerbefreit, die Immobilienvermittlung nicht. Die Vorsteuerabzugsfähigkeit seiner Ausgaben ergibt sich daraus, mit welcher Leistung diese wirtschaftlich im Zusammenhang stehen. Zum Beispiel berechtigen Ausgaben für Immobilienprospekte oder Besichtigungstermine zum Vorsteuerabzug. Für den Aufwand im Zusammenhang mit einer Schulungsveranstaltung der Bausparkasse ist das nicht möglich.
Ein Lehrer unterrichtet als Honorarkraft an einer privaten Schule. Dieser Bildungseinrichtung hat die zuständige Landesbehörde eine Bescheinigung ausgestellt, dass ihre Bildungsangebote auf die Berufsausübung oder Prüfungen durch öffentlich-rechtliche Institutionen vorbereiten. Die Umsätze des Lehrers sind nach § 4 Nr. 21 umsatzsteuerbefreit. Die Schule muss ihm für jedes Jahr eine entsprechende Bestätigung für das Finanzamt ausstellen.
Wäre der Lehrer an einer öffentlichen Schule/Hochschule oder an einer genehmigten Ersatzschule tätig, würde er für die Umsatzsteuerbefreiung keine Bestätigung für das Finanzamt benötigen. Übrigens hat der BFH entschieden, dass auch der Musikunterricht zu den berufsvorbereitenden und deshalb umsatzsteuerbefreiten Tatbeständen gehört. Denn selbst wenn er nur der Freizeitbeschäftigung dient, könnte er theoretisch auch auf einen Beruf als Musiker oder Musiklehrer vorbereiten.
Die Kleinunternehmerregelung im Detail
Die bereits erwähnte Kleinunternehmereigenschaft ist gemäß § 19 UStG gegeben, wenn der Umsatz im Vorjahr 22.000 Euro nicht überstiegen hat und im laufenden Kalenderjahr 50.000 Euro voraussichtlich nicht übersteigen wird. Anlass dieser Regelung ist es, sowohl den betroffenen Unternehmern als auch den Finanzbehörden Verwaltungsaufwand zu ersparen, der durch die Voranmeldungen, Umsatzsteuererklärungen sowie die aufwendigere Buchhaltung entstehen würde.
Als Kleinunternehmer dürfen Sie auf Ihren Rechnungen keine Umsatzsteuer ausweisen. Zusätzlich müssen Sie auf Ihre Steuerbefreiung hinweisen. Erstellen Sie Ihre Rechnungen als Kleinunternehmer ganz einfach mit unserer kostenlosen Vorlage für Kleinunternehmer-Rechnungen.
Auch wenn Sie die Voraussetzungen für die Kleinunternehmereigenschaft erfüllen, ist es möglich, auf die Umsatzsteuerbefreiung zu verzichten. Das kann in bestimmten Situationen wirtschaftlich sinnvoll sein. Wählen Sie dafür entweder bei der Anmeldung Ihres Unternehmens auf dem Fragebogen zur steuerlichen Erfassung die entsprechende Option oder stellen Sie später beim Finanzamt einen schriftlichen Antrag. Dieser freiwillige Verzicht bindet Sie allerdings für fünf Jahre an die Regelbesteuerung.
Wann ist eine Umsatzsteuerbefreiung sinnvoll?
Je nach Art Ihres Unternehmens kann es sinnvoll sein, auf eine Umsatzsteuerbefreiung zu verzichten. Möglich ist das nur für Kleinunternehmer und im Fall der Optionsmöglichkeiten des § 9 UStG hinsichtlich einiger steuerbefreiter Umsätze des § 4 UStG.
Abgesehen vom geringeren Verwaltungsaufwand ist eine Umsatzsteuerbefreiung empfehlenswert, wenn:
Durch den fehlenden Umsatzsteueraufschlag können Sie die Preise für Privatkunden günstiger gestalten. Gegenüber umsatzsteuerpflichtigen Geschäftskunden würde sich dieser Vorteil nicht ergeben, da diese die Umsatzsteuer selbst als Vorsteuer abziehen könnten.
So beantragen Sie die Befreiung
Sowohl im Fall der Kleinunternehmerregelung als auch bei den Umsätzen des § 4 UStG sind keine speziellen Anträge für die Steuerbefreiung notwendig, da diese bereits gesetzlich vorgeschrieben ist. Trotzdem können bestimmte Mitteilungen und Bescheinigungen erforderlich sein. Die folgenden Hinweise sollten Sie beachten:
Was Kleinunternehmer beachten müssen
Bei der Anmeldung Ihres Unternehmens geben Sie im Fragebogen zur steuerlichen Erfassung Ihren voraussichtlichen Umsatz an. Wenn Sie die Umsatzgrenzen des § 19 UStG nicht überschreiten und in diesem Formular auch nicht die Option der Regelbesteuerung auswählen, sind Sie automatisch Kleinunternehmer und damit umsatzsteuerbefreit.
Es kann jedoch vorkommen, dass Ihre Umsätze nach einigen Jahren der Regelbesteuerung zurückgehen oder dass Sie die Umsatzentwicklung zum Gründungszeitpunkt zu optimistisch eingeschätzt haben. Wenn Sie in so einer Situation die Voraussetzungen für die Kleinunternehmereigenschaft erfüllen, können Sie mit einem formlosen Schreiben beim Finanzamt die Umsatzsteuerbefreiung als Kleinunternehmer beantragen.
Das gilt für die umsatzsteuerbefreiten Lieferungen und sonstigen Leistungen des § 4 UStG
Die im § 4 Nr. 8-28 genannten Lieferungen und sonstigen Leistungen sind nach dem Willen des Gesetzgebers umsatzsteuerbefreit. Der Grund dafür ist, dass es sich dabei hauptsächlich um Leistungen für Privatpersonen handelt, die sich nicht noch stärker verteuern sollen. Lediglich § 9 ermöglicht für elf dieser Sachverhalte den Verzicht auf die Steuerbefreiung und damit die Vorsteuerabzugsmöglichkeit. Dafür genügt eine formlose Mitteilung an das Finanzamt oder auch einfach der Ausweis der Umsatzsteuer auf den Ausgangsrechnungen sowie die Erfassung dieser Beträge in den Voranmeldungen und Erklärungen.
Speziell für die Umsätze der Nummer 20 und 21 sind Bescheinigungen bestimmter Landesbehörden eine Voraussetzung für die Umsatzsteuerbefreiung. Die Nr. 20 bezieht sich auf kulturelle und künstlerische Leistungen privater Chöre, Musiker, Schauspieler und ähnlicher Akteure. Die zuständige Landesbehörde muss bescheinigen, dass diese Künstler, Ensembles oder Vereine die gleichen kulturellen Aufgaben erfüllen wie vergleichbare öffentlich-rechtliche Einrichtungen. Bei welcher Behörde diese Zuständigkeit liegt, ist in jedem Bundesland anders geregelt.
Die Nr. 21 des § 4 befreit mit ihrem Abschnitt a) bestimmte private Bildungseinrichtungen von der Umsatzsteuerpflicht und mit dem Abschnitt b) selbständige Lehrer, sofern diese an öffentlichen oder umsatzsteuerbefreiten Bildungseinrichtungen tätig sind. Eine private Bildungseinrichtung, die nicht als Ersatzschule genehmigt ist, braucht für die Umsatzsteuerbefreiung eine Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde. Diese muss bestätigen, dass die Schule auf den Beruf oder auf Prüfungen vor einer juristischen Person des öffentlichen Rechts vorbereitet.
Die Umsätze selbständiger Lehrer, die als Honorarkräfte an öffentlichen Schulen oder genehmigten Ersatzschulen arbeiten, sind auch ohne Bescheinigung umsatzsteuerbefreit. Sind Sie als Lehrer an einer anderen privaten, umsatzsteuerbefreiten Einrichtung tätig, muss ihnen die Schule für jedes Kalenderjahr eine Bestätigung darüber ausstellen, dass auch Ihre Umsätze steuerfrei sind.
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Umsatzsteuerbefreiung: Möglichkeiten prüfen und entscheiden
Sowohl die Kleinunternehmerregelung des § 19 UStG als auch die Tatbestände des § 4 Nr. 8-28 UStG regeln Umsatzsteuerbefreiungen ohne Vorsteuerabzugsmöglichkeit. Nur in einigen Fällen ist die Regelbesteuerung eine mögliche Option.
Normalerweise ist es nicht notwendig, eine Steuerbefreiung zu beantragen. Einige private Künstler und Bildungseinrichtungen benötigen behördliche Bescheinigungen, dass ihre Arbeit die Voraussetzungen dafür erfüllt.
Beachten Sie, dass abgesehen vom geringeren Verwaltungsaufwand die Umsatzsteuerbefreiung letztlich nur dann sinnvoll ist, wenn Ihre Kunden hauptsächlich Privatverbraucher sind oder Sie selber für gewöhnlich nur wenige Beschaffungen und Investitionen tätigen. Durch den fehlenden Umsatzsteueraufschlag können Sie die Preise für Ihre Privatkunden günstiger gestalten. Das birgt für Sie eventuell ein Vorteil gegenüber Ihrer Konkurrenz.