Die Digitalisierung der Neukundengewinnung

Verfasst von Roul Radeke. Zuletzt aktualisiert am 13 Januar, 2024
Lesezeit Minuten.
Die Digitalisierung schreitet unaufhaltsam voran. Im Vertrieb ist davon in den meisten Unternehmen noch wenig angekommen. Insbesondere in der Neukundenakquise ändert die Digitalisierung die Spielregeln. Statt Informationen zu pushen, geht es darum relevante Nachfrager auf das eigene Unternehmen aufmerksam zu machen.  

Handlungsdruck

Warum überhaupt Kundenakquise?

2011 kehrten laut einer Studie des Marktforschers GFK und der Werbeagentur Serviceplan 40 % der Stammverbraucher ihrer Marke den Rücken. 2008 waren das nur 32 % gewesen. Laut Werbepsychologe Jens Lönnecker wollen die Konsumenten ihren Individualismus ausleben.

Schlechte Serviceerfahrungen und mangelhafte Kommunikation sind Gründe für Kundenabwanderungen im B-to-B-Umfeld. Das beginnt beim Erfragen des Kundenbedürfnisses bis zu Produktupdates und der Aufrechterhaltung des Kundenkontaktes. Weitere Gründe für Kundenverluste können Insolvenzen, Unternehmensaufkäufe usw. sein.

Arbeitsteilige Organisation und Dateninseln

Als StartUp hat man den riesen Vorteil auf der grünen Wiese anzufangen. Unternehmen sind traditionell in unterschiedliche Fachabteilungen gegliedert. Das Marketing ist für die Leadgenerierung zuständig. Dazu werden Veranstaltungen durchgeführt, die Website gepflegt, Newsletter versendet uvm.

Generierte Leads werden an die Abteilung Vertrieb übergeben. Die unterteilt sich oft nach Produktbereichen oder Regionen und ist häufig in Innendienst und Außendienst aufgeteilt.

Der Kunden kommt bei der Customer Journey mit unterschiedlichen Fachabteilungen in Berührungen. Je nach Steuerung der Fachabteilung und der abteilungsübergreifenden Prozesse erlebt der potentielle Kunde unterschiedliche Kommunikations- und Betreuungsstile. Aus Kundensicht erweisen sich Abteilungsbarrieren oft als nachteilig.

Neben den organisatorischen Barrieren gibt es oft unterschiedliche IT-Systeme. Eine übergreifende Steuerung ist oftmals so nicht möglich. Das scheitert dann oft schon an ganz trivialen Sachen. So schreibt der Trendbeobachter Mathias Haas: „Die meisten Firmen in Österreich, in der Schweiz und in Deutschland werden auch dieses Jahr wieder Weihnachtskarten verschicken und die jeweiligen Adressen aus 16 verschiedenen Excel-Sheets mühsam einzeln zusammensuchen. Hier sind wir von der Digitalisierung noch weit weg“ (Teletalk 12- 2015, S. 21).

Die Digitalisierung der Neukundengewinnung_TB

Die Digitalisierung der Neukundengewinnung, selbststaendigkeit.de

Allein die Definition, was ein Lead ist und wann ein Lead vom Marketing in die Verantwortung des Vertriebs übergeht, ist in vielen Unternehmen ungeklärt.

Definieren sie deshalb zu Beginn der Vertriebstätigkeit konsequent einen am Kunden ausgerichteten Vertriebsprozess. Überlegen sie, wie sie als Kunde selbst behandelt werden möchten. Egal über welchen Kanal sie mit einem Unternehmen in Kontakt treten, erwartet der Kunde heute, dass jeder über alle Touchpoints Bescheid weiß. Das gelingt nur mit einem zentralen CRM System.

Die Welt hat sich gedreht

Kanalvielfalt

Waren in den  90er Jahren Telefon, Post und Fax die vorherrschenden Kommunikationskanäle, bewegen sich Kunden heute in der Omnichannel Welt aus Internet, Email, SMS, sozialen Netzwerken, Telefon, Post, Fax, Chat, Video uvm. Der Kunde erwartet, dass Unternehmen wissen über welchen Kanal er wann mit ihnen Kontakt hatte. Leider sieht die Realität im Alltag oft anders aus: Viele Kontaktformulare auf Websiten werden gar nicht beantwortet. Emails werden vom Marketing bearbeitet. Der Anruf geht in der Telefonzentrale oder bei einem externen Dienstleister ein, der aber nicht weiter in die Fachabteilung verbinden kann. Der Chat wird vom Kundenservice bedient und das Marketing ist überrascht, wenn eine Anfrage über Facebook und Co. gestellt wird.

Wenn bei einem dieser Kontaktpunkte der Kunde enttäuscht wird, hat in seinen Augen nicht ein Mitarbeiter versagt, sondern das ganze Unternehmen ist „Mist“. Hier erwartet der Kunde, dass alle Kontaktversuche für den Verkäufer immer ersichtlich sind. Die Realität sieht leider meist anders aus:

Nutzungsverhalten der Kanäle

Kunden wollen heute nicht mit Angeboten bombardiert werden, sondern gehen selbst auf die Suche nach Lösungen für ihren Bedarf. Und der erste Weg sind zumeist Suchmaschinen im Internet:

„Der Erstkontakt im Kundenservice findet heute nicht im Call-Center statt. Der erste Kontakt zur Beantwortung von Fragen sind Suchmaschinen, Communities und Feedback- und Bewertungs-Websites im Internet. Die Google-Suchanfragen zu allgemeinen Kundenservice-Fragen haben sich in den letzten fünf Jahren verzehnfacht. … Und erst wenn die passende Lösung nicht sofort online verfügbar ist, nutzt man die Servicehotline des Herstellers. Ab jetzt steht der Service-Mitarbeiter in der direkten Konkurrenz zu dem Suchmaschinen-Riesen, der nie etwas vergisst“, Kai Loddenkempfer, Head of Customer Care Immobilienscout24.de, Vernetzt! Ausgabe 01/2015, S. 7.

D.h. die Kommunikation liegt nicht mehr in der Hand des Unternehmens. Betroffenen helfen sich gegenseitig in Foren wie GuteFrage.net und Co,. Tipps, Empfehlungen und Ratschläge liefert die Community und werden oft als vertrauenswürdiger eingestuft als die plakativen Werbeaussagen von Unternehmen.

Erste Anlaufstelle für viele Nachfrager ist die Unternehmenswebsite. Viele Internetauftritte sind aber eher schreiende Litfaßsäulen als Dialoginstrumente. Kontaktmöglichkeiten sind oftmals versteckt. Telefonnummerrn werden überhaupt nicht angezeigt. Ein Chat oder integrierte Videotelefonie, wie es z.B. WebRTC bietet, werden dem Besucher nicht angeboten.

Schaut man sich die Nutzung der Kontaktkanäle an, dominiert im „Dimension Data Global Contact Centre Benchmarking Report 2015“ zwar nach wie vor das Telefon:

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Contact Center Investitionsstudie 2016: www.Contact-Center-Portal.de

Neue Kanäle wie Web-Chat, Messaging, Social Media, Smartphone Apps gewinnen zunehmend an Bedeutung. Im Vergleich zu den heute dominanten Kanälen Telefon und Email sind sie aber noch relativ gering.

Digitalisierung im Vertrieb

Die digitale Transformation unter dem Schlagwort „Industrie 4.0“ ist in aller Munde. Sie zielt darauf ab, Wertschöpfungsketten zu digitalisieren. Allerdings ist die Digitalisierung im Vertrieb in Deutschland noch kaum angekommen. Zwar sagen 60 % der Vertriebsverantwortlichen in einer Studie von Roland Berger und Google, dass die Digitalisierung des Vertriebs zukünftig entscheidend für den Geschäftserfolg sein wird, aber bei der Mehrheit der Unternehmen läuft die digitale Kommunikation, sofern vorhanden, nicht integriert in die Vertriebsorganisation.

Neue Marktteilnehmer mit neuen Geschäftsmodellen jagen etablierten Unternehmen Marktanteile ab, z.B. als Online-Only-Distributoren wie Alibaba oder Amazon.

In den USA sind 46 % der Kaufentscheider Millienials. Die sind unter 35 Jahre alt und googlen, kommunizieren lieber mobil per WhatsApp und Co als sich persönlich bei einem Ansprechpartner im Vertrieb zu informieren. Sie sind als Verbraucher das Online-Shoppen gewohnt und erwarten diesen Komfort und Einfachheit auch im B-to-B-Umfeld. Somit gewinnen neben den Produkteigenschaften Faktoren wie Reaktionsgeschwindigkeit, Erreichbarkeit, Schnelligkeit der Lieferung, Einfachheit des Bestellprozesses, … zunehmend an Bedeutung.

Kunden, die für sie wichtige Informationen in der Anbahnungsphase nicht finden, werden sich möglicherweise für einen anderen Anbieter entscheiden, ohne dass man es überhaupt mitbekommt.

Die Herausforderung für Unternehmen besteht darin, die digitalen Kanäle sinnvoll in die eigene Vertriebsorganisation und –prozesse zu integrieren. Denn damit vollzieht sich der Wandel vom Push Vertrieb zum Pull Vertrieb durch den Kunden. Der Kunde bestimmt die Richtung und den Kanal. Der Impuls kommt vom Kunden. Wo früher Mailings, Prospekte, etc. für einen Nachfragesog gesorgt haben, steht heute das Pull. Sichtbarkeit in digitalen Medien wird zur Grundvoraussetzung, um überhaupt noch die Aufmerksamkeit des potentiellen Kunden zu erreichen. Laut der Roland Berger / Google Studie „Think Act – die digitale Zukunft des Vertriebs“ suchen 90 % der B2B-Einkäufer nach Schlagworten im Internet, 70 % schauen Videos, um sich vor einem Kauf zu informieren. 57 % des Einkaufsprozesses sind schon gelaufen, wenn erstmals ein Vertriebsmitarbeiter kontaktiert wird.

Chancen im Vertrieb

Neben der eigenen Website öffnen sich Unternehmen aber zahlreiche digitale Kommunikationskanäle. So bieten z.B. soziale Netzwerke wie XING, LinkedIn oder Facebook Gruppen zu fachspezifischen Themen, in denen sich Produktexperten direkt mit den Anwendern über Eigenschaften oder Produktspezifikationen austauschen können. Für Verkäufer bietet sich damit die Chance sich als Experte zu positionieren.

Über B-to-B-Websitetracking erfährt der Vertrieb über welche Suchbegriffe Unternehmen sich welche Produktseiten wie lange angeschaut haben. Daraus lassen sich Produktempfehlungen generieren. Das B-to-B-Websitetracking liefert ihnen die Stammdaten der Unternehmen, die ihre Website besucht haben. Damit müssen sie keine Kaltakquise mehr betreiben, sondern können die Websitebesucher direkt per Telefon ansprechen, um den richtigen Ansprechpartner zu identifizieren und den konkreten Bedarf zu erfragen.

Wichtig für den Vertrieb ist dabei, dass alle gewonnen Informationen in ein zentrales CRM System einfließen und nicht in unterschiedlichen Daten- und Applikationsinseln versauern.

Digitale Durchlässigkeit

In vielen Organisationen gibt es den Vertrieb und eine separate Abteilung, z.B. Marketing, die für das Online Geschäft zuständig sind. Es gibt getrennte IT-Infrastrukturen und getrennte Prozessen. Kunden erwarten, dass sie über jeden Kanal identische Produktinformationen erhalten und keine widersprüchlichen Aussagen erleben. Bei mehrstufigen Vertriebsorganisationen kann das schnell passieren, wenn Vertriebspartner selbst eigene Shops betreiben oder Auslandsgesellschaften hinzukommen, die eigene Onlineshops betreiben.

Digitalisierung bedeutet in diesem Fall eine stärkere Zentralisierung. Ein zentrales CRM-System oder zumindest ein Datenbehälter sind notwendig, in dem alle Touchpoints des Kunden aus seiner Customer Journey in einer Kontakthistorie vermerkt werden. Nur so kann der Vertriebsmitarbeiter oder der Kundenberater im Service wissen, was bereits kanalübergreifend gelaufen ist.

CRM als Basis

Digitalisierung kann nur erfolgreich sein, wenn es ein zentrales CRM-System mit den darin abgebildeten Geschäftsprozessen gibt. Ansonsten führt die Erweiterung von Eingangskanälen zu immer mehr Dateninseln und Unzufriedenheit auf Kundenseite.

Jeder Anwender sollte Zugang zum zentralen CRM System haben, um so jeden Touchpoint des Kunden nachvollziehen und offene Vorgänge bearbeiten zu können.

Die Herausforderung besteht darin, bestehende Systeme sinnvoll zu verbinden oder ggf. durch ein übergeordnetes System abzulösen. Das bedeutet Organisationsaufwand. Z.B. ist zu klären, wo welche Stammdaten gepflegt werden. Wie das Klickverhalten aus dem Email-Newsletter ins CRM zurückwandert und das Verhalten dann einen Alert beim zuständigen Verkäufer auslöst. So kann das Unternehmen abhängig vom Nutzerverhalten mit seinen Kunden kommunizieren. Das reduziert sinnlose Anrufe und schafft mehr Akzeptanz beim Kunden.

Tipp: Wir haben für Sie kostenlos eBooks zu den Themen „Digitalisierung im Vertrieb“ sowie „CRM Einführung“ bereitgestellt.

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Roul Radeke ist Gründer und Geschäftsführer von Selbststaendigkeit.de. Das Onlineportal bietet Existenzgründern und Unternehmern News aus der Gründer- und Unternehmerszene, hilfreiches Wissen für die Gründung und Führung von Unternehmen, geförderte Existenzgründungsberatung (AVGS-Coaching) sowie digitale Produkte für die Selbstständigkeit.

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