Kleinunternehmerregelung: Umfassender Leitfaden inkl. Praxis-Beispielen + Selbsttest für Kleinunternehmer

Verfasst von Roul Radeke. Zuletzt aktualisiert am 15 März, 2024
Lesezeit Minuten.
Sie möchten nebenberuflich gründen? Oder Sie bauen eine hauptberufliche Selbstständigkeit auf, bei der Sie mit geringen Betriebsausgaben, aber auch mit wenig Umsatz rechnen? Dann kann Sie § 19 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) vom bürokratischen Ballast befreien, der mit der Umsatzsteuerpflicht einhergeht. Erfahren Sie wichtige Details zur Kleinunternehmerregelung.  

Auf einen Blick: Die 10 wichtigsten Fragen zur Kleinunternehmerregelung

§ 19 UStG bringt verwaltungstechnisch einige Erleichterungen, wirft aber in Sachen Kleinunternehmerregelung bei vielen Gründern Fragen auf. Die folgenden FAQ-Antworten klären die wichtigsten Fakten.

1. Was bedeutet die Kleinunternehmerregelung?

Die Kleinunternehmerregelung ist eine Option aus dem Umsatzsteuerrecht. Sie ermöglicht Unternehmen und Selbstständigen mit geringen Umsätzen, sich von der Umsatzsteuerpflicht befreien zu lassen. Rechtsgrundlage ist § 19 UStG. Diese Möglichkeit wird oft von Gründern und Nebenerwerbsunternehmern genutzt.

Es handelt sich bei einem Kleinunternehmen nicht um eine eigene Rechtsform. Verwechseln Sie dieses auch nicht mit dem Kleingewerbe, das einen ganz anderen Sachverhalt beschreibt.

2. Welche Vorteile entstehen durch die Kleinunternehmerregelung?

Kleinunternehmer sparen Verwaltungsaufwand insbesondere mit Blick auf die Steuern. Sie müssen keine Umsatzsteuervoranmeldungen abgeben und dürfen auf Rechnungen keine Umsatzsteuerbeträge und Steuersätze ausweisen. Die jährliche Umsatzsteuererklärung muss auch ein Kleinunternehmer abgeben. Sie ist aber einfacher als im Fall der Regelbesteuerung.

Eine Steuerersparnis ergibt sich aus der Umsatzsteuerbefreiung nicht. Da Kleinunternehmer auch keine Vorsteuer erstattet bekommen, kann es sogar zu wirtschaftlichen Nachteilen kommen.

3. Unter welchen Voraussetzungen falle ich unter die Kleinunternehmerregelung?

Wenn der Umsatz des Vorjahrs unter 22.000 Euro lag und der für das aktuelle Jahr prognostizierte Gesamtumsatz 50.000 Euro voraussichtlich nicht übersteigen wird, ist die Umsatzsteuerbefreiung möglich. Im Gründungsjahr darf der prognostizierte Jahresumsatz 22.000 Euro nicht überschreiten, wobei Sie den Umsatz eines Rumpfjahres auf ein ganzes umrechnen müssen.

Kleinunternehmerregelung_Grenzen_Aktuell

Die in § 19 Abs. 1 genannten Grenzwerte beziehen sich auf den Bruttoumsatz. Beachten Sie das bei der Übernahme der Prognosewerte aus Ihrem Businessplan. Als Kleinunternehmer müssen Sie jedoch auf den tatsächlichen oder prognostizierten Umsatz nicht noch die fiktive Mehrwertsteuer aufschlagen. Denn dieser enthält die Steuer bereits. Sie wird nur nicht erhoben.

Sie sind nicht verpflichtet, die Kleinunternehmerregelung in Anspruch zu nehmen. Es ist auch möglich, freiwillig die Regelbesteuerung zu wählen. Verzichten Sie auf Ihren Anspruch, sind Sie fünf Jahre lang an Ihre Entscheidung gebunden.

4. Wo und wie melde ich ein Kleinunternehmen an?

Wenn Sie ein Kleinunternehmen anmelden, gehen Sie zunächst wie bei jeder anderen Unternehmensgründung vor. Die üblichen Behördengänge und Anmeldungen fallen also nicht weg. Sie besorgen, falls erforderlich, Genehmigungen, melden ein Gewerbe bei Gewerbeamt an und füllen, auch als Freiberufler, den Fragebogen zur steuerlichen Erfassung für das Finanzamt aus.

In diesem Fragebogen geben Sie Ihren prognostizierten Umsatz an. Liegt dieser im Gründungsjahr, umgerechnet auf das ganze Jahr, unter 22.000 Euro, kreuzen Sie an, ob Sie die Umsatzsteuerbefreiung nach § 19 UStG oder die Regelbesteuerung wählen.

5. Was kostet es, von der Kleinunternehmerregelung Gebrauch zu machen?

Die Inanspruchnahme der Kleinunternehmerregelung verursacht keine zusätzlichen Kosten. Wenn Sie gründen, zahlen Sie das, was Sie auch bei Anwendung der Regelbesteuerung zahlen würden. Das sind im Wesentlichen die Gebühren für Genehmigungen und für die Gewerbeanmeldung.

Die Gebühren für die An- oder Ummeldung eines Gewerbes variieren in den verschiedenen Städten oder Gemeinden. Die folgende Tabelle zeigt eine Übersicht über die Gebühren in einigen Großstädten. Wenn eine Spanne angegeben ist, richten sich die Kosten meist nach der Rechtsform. Ummeldungen sind beispielsweise bei einem Standort- oder Namenswechsel erforderlich.

GEWERBEAMTPREIS ANMELDUNGPREIS UMMELDUNG
Berlin online: 15 €, persönlich: 26 € online: 15 €, persönlich: 20 €
München47 – 50 € 28 €
Frankfurt am Main 33 € 33 €
Stuttgart 52,50 € 32 €
Hamburg20 € Bei Betriebsverlegung: 20 €
Bei Ummeldung aus anderen Gründen: 0 €
Leipzig10 – 65 € 10 – 65 €
Köln20 € 20 €

Für Freiberufler entfällt die Gewerbeanmeldung. Mit der Entscheidung für die Regelbesteuerung können ggf. Kosten für den Steuerberater im Zuge von Umsatzsteuervoranmeldungen anfallen.

6. Für welche Rechtsformen ist die Kleinunternehmerregelung anwendbar?

Es gibt keine gesetzliche Beschränkung hinsichtlich der Rechtsform. Da ein geringer Umsatz Voraussetzung ist, sind es in der Praxis meist Einzelunternehmen oder Freiberufler, welche die Umsatzsteuerbefreiung in Anspruch nehmen.

Auch einige GbRs werden als Kleinunternehmen geführt. Die UG (haftungsbeschränkt) eignet sich ebenfalls für den Start als Kleinunternehmen. Alle anderen Rechtsformen sind theoretisch möglich, haben aber für Kleinunternehmer kaum praktische Bedeutung.

7. Wie lange gilt die Kleinunternehmerregelung?

Wenn Sie als Gründer im Fragebogen zur steuerlichen Erfassung die Option der Kleinunternehmerregelung gewählt haben, gilt die Umsatzsteuerbefreiung automatisch so lange, wie die Voraussetzungen dafür gegeben sind. Sie sind selbst dafür verantwortlich, diese Voraussetzungen zu überwachen und beim Wegfall Ihre Rechnungsstellung anzupassen und Umsatzsteuervoranmeldungen beim Finanzamt abzugeben.

Darüber hinaus können Sie sich auch jederzeit, jeweils zu Beginn eines Jahres, freiwillig für die Regelbesteuerung entscheiden und dies dem Finanzamt in einem formlosen Schreiben mitteilen. Aber Achtung: Wenn Sie die Voraussetzungen für die Kleinunternehmerregelung nach § 19 UStG erfüllen und ganz bewusst darauf verzichten, sind Sie an diesen Verzicht für fünf Jahre gebunden. Erst nach Ablauf dieser 5 Jahre können Sie dann wieder von der Kleinunternehmerregelung Gebrauch machen.

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8. Wann muss oder kann ich die Kleinunternehmerregelung beantragen?

Sie können sich als Gründer mit dem Ausfüllen des Fragebogens zur steuerlichen Erfassung für die Kleinunternehmerregelung entscheiden, wenn die Voraussetzungen dafür gegeben sind. Hatten Sie sich ursprünglich für die Regelbesteuerung entschieden und die 5-Jahres-Frist ist abgelaufen? Oder waren die Bedingungen beim Start nicht erfüllt, aber der Umsatz ist zurückgegangen? Dann können Sie den Wechsel zur Kleinunternehmerregelung auch später mit einem formlosen Schreiben an das Finanzamt beantragen.

Das ist grundsätzlich immer zu Beginn eines neuen Jahres möglich, aber meist kompliziert. Denn auch Vorsteuerberichtigungen, Abschreibungsfristen und ähnliche spezielle Fragen spielen dabei eine Rolle.

9. Was ist, wenn ich mehrere Unternehmen führe?

Die Kleinunternehmereigenschaft ist immer an eine Person gebunden. Wenn also ein Unternehmer zum Beispiel einen Onlinehandel, einen Schreibservice und einen Reinigungsdienst betreibt, wird der Umsatz aus allen drei Unternehmen zur Prüfung der Voraussetzungen addiert.

Kapitalgesellschaften wie die UG (haftungsbeschränkt) sind juristische Personen und gelten damit als eigenständig. Eine Ausnahme gibt es hinsichtlich der GbR. Wenn Sie ein Einzelunternehmen leiten und zusätzlich gemeinsam mit einem Partner eine GbR, werden beide Unternehmen einzeln betrachtet.

10. Kleinunternehmerregelung – wo liegt die Umsatzgrenze?

Mit Beginn des Jahres 2020 gab es eine wichtige Änderung, denn die in § 19 UStG festgeschriebene Grenze für den Vorjahresumsatz lag 2019 noch bei 17.500 €. Die Gültigkeit der neuen Grenze ab Beginn 2020 bedeutet, dass der Umsatz im Jahr 2019 unter 22.000 Euro gelegen haben muss, damit 2020 die Kleinunternehmerregelung angewendet werden kann.

Das folgende Video fasst alle wichtigen Punkte zum Thema Kleinunternehmerregelung gut zusammen.

Praxisbeispiele: Ist die Kleinunternehmerregelung möglich?

Beide in § 19 UStG genannten Umsatzgrenzen müssen für die Anwendung der Kleinunternehmerregelung eingehalten werden. Die folgenden Beispiele zeigen, wie das in der Praxis funktionieren kann.

Beispiel 1

Markus gründet am 1. September 2020 und prognostiziert bis zum Ende des Kalenderjahres 5.600 Euro Umsatz, was auf das Jahr umgerechnet 16.800 Euro entspricht. Anfang 2021 stellt er fest, dass er in den 4 Monaten insgesamt 6.000 Euro Umsatz beziehungsweise umgerechnet 18.000 Euro Jahresumsatz erzielt hat. Seine Umsatzprognose für 2020 liegt bei 40.000 Euro.

Tatsächlich beträgt der Gesamtumsatz für das Jahr 2021 aufgrund einer unerwartet guten Auftragslage 51.000 Euro. Da einer seiner wichtigsten Kunden sein Business aufgibt und zusätzlich ein starker Konkurrent am Markt auftritt, rechnet Markus damit, dass der Umsatz 2022 nur noch 25.000 Euro betragen wird. Er geht letztendlich auf 21.420 Euro zurück.

JAHRVORJAHRESUMSATZ PROGNOSTIZIERTER JAHRESUMSATZTATSÄCHLICHER JAHRESUMSATZKLEINUNTERNEHMER-EIGENSCHAFT
2020 -16.800 €18.000 € ja
202118.000 € 40.000 € 51.000 € ja
202251.000 € 25.000 € 21.420 € nein

Der prognostizierte und auf das Kalenderjahr hochgerechnete Umsatz liegt 2020 unter der damals noch gültigen Gründungsjahr-Grenze von 17.500 Euro, womit für 2020 die Voraussetzung für die Kleinunternehmerregelung erfüllt ist.

2021 beträgt der Vorjahresumsatz 18.000 Euro und erreicht damit die Umsatzgrenze von 22.000 Euro nicht. Der prognostizierte Umsatz von 40.000 Euro liegt auch noch unter 50.000 Euro, womit beide Bedingungen für die Kleinunternehmerregelung erfüllt sind. Dass der tatsächliche Umsatz letztendlich höher ist, spielt für 2021 noch keine Rolle.

2022 liegt der Umsatz des Vorjahrs mit 51.000 Euro über der 22.000-Euro-Grenze, wodurch keine Kleinunternehmereigenschaft mehr gegeben ist. Dass die zweite Bedingung erfüllt ist und der tatsächliche Umsatz letztendlich sogar wieder unter 22.000 Euro sinkt, ändert daran nichts.

Theoretisch wäre für 2023 die Kleinunternehmerregelung wieder vorstellbar, falls die Umsatzprognosen ungünstig bleiben. Denn der Wechsel zur Regelbesteuerung erfolgte nicht freiwillig, wodurch die 5-Jahres-Bindung nicht greift. Die 21.420 Euro Vorjahres-Bruttoumsatz entsprechen bei 19 % Umsatzsteuer einem Nettoumsatz von 18.000 Euro. Dieser Brutto-Netto-Unterschied ist beim Übergang von der Regelbesteuerung zur Kleinunternehmerregelung zu beachten.

Beispiel 2

Anna gründet ihr Business am 1. April 2021. Für das Rumpfjahr prognostiziert sie 18.000 Euro Umsatz, was auf das volle Jahr umgerechnet 24.000 Euro ergibt. Bis zum Ende des Jahres erzielt Anna 17.550 Euro Bruttoumsatz. Das entspricht einem Jahresbetrag von 23.400 Euro. Anfang 2022 nimmt sie ein interessantes Jobangebot an und reduziert deshalb den Umfang ihrer unternehmerischen Tätigkeit. Sie prognostiziert für 2022 einen Bruttoumsatz von 19.000 Euro und erzielt letztendlich 18.000 Euro. 2023 behält sie ihre Prognose bei und ermittelt zum Jahresende einen Jahres-Bruttoumsatz von 20.000 Euro.

JAHRVORJAHRESUMSATZ PROGNOSTIZIERTER UMSATZTATSÄCHLICHER UMSATZKLEINUNTERNEHMER-REGELUNG MÖGLICH?
2021-24.000 € 23.400 € nein
202223.400 € 19.000 € 18.000 € nein
202318.000 € 19.000 € 20.000 € ja

Im Gründungsjahr 2021 übersteigt die Jahresprognose 22.000 Euro, weshalb die Kleinunternehmereigenschaft nicht gegeben ist. Anna startet deshalb von Anfang an mit der Regelbesteuerung.

2022 erreichen zwar weder die Prognose noch der tatsächliche Umsatz 50.000 Euro. Beides sinkt sogar unter 22.000 Euro. Da jedoch der Umsatz des Vorjahrs zu hoch ist, kommt die Umsatzsteuerbefreiung nicht infrage.

Im Jahr 2023 sind beide Voraussetzungen für die Kleinunternehmereigenschaft gegeben. Anna kann die Umsatzsteuerbefreiung ab Anfang 2023 in Anspruch nehmen.

So schätzen Sie Ihren Umsatz richtig – 5 Tipps

Die Möglichkeit der Umsatzsteuerbefreiung und somit Anwendung der Kleinunternehmerregelung hängt nicht nur von tatsächlichen Werten ab, sondern auch von Prognosen. Achten Sie auf Plausibilität, denn das Finanzamt kann Begründungen für Ihre Annahmen fordern. Betrachten Sie folgende Tipps als Anregungen:

  1. 1
    Businessplan zugrunde legen: Als Gründer erstellen Sie einen Businessplan, zu dem neben Kapiteln zur Geschäftsidee, dem Marketing oder einer ausführlichen Marktanalyse auch der Finanzplan gehört: Einnahmen und Ausgaben werden ausführlich gegenübergestellt, eine Umsatzprognose kann somit aus dem Teil über die Finanzierung entnommen werden. Im Gründungsjahr können Sie sich darauf berufen.
  2. 2
    Am Umsatz des Vorjahres orientieren: Das ist im ersten Geschäftsjahr noch nicht möglich. In allen folgenden Jahren ist der Vorjahresumsatz jedoch ein wichtiger Anhaltspunkt.
  3. 3
    Externe und interne Einflüsse: Bedenken Sie, was Ihren Umsatz positiv oder negativ beeinflussen könnte. Externe Faktoren sind beispielsweise Änderungen der Konkurrenzsituation oder neue Trends. Zu den internen Faktoren zählen unter anderem Ihr persönlicher Gewinn an Erfahrungen sowie individuelle Ziele als Unternehmer.
  4. 4
    Art der Umsätze: Beachten Sie, welche Umsätze bei der Bewertung der Kleinunternehmereigenschaft Beachtung finden. Dazu gehören alle inländischen Umsätze gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG abzüglich der steuerfreien Umsätze gemäß § 4 Nr. 8i, Nr. 9b und Nr. 11 bis 28. Davon werden noch die in § 4 Nr. 8a-h, Nr.9a und Nr. 10 genannten steuerfreien Umsätze abgezogen, sofern sie nicht dem Hauptzweck des Unternehmens entsprechen. In einem Gründungs-Rumpfjahr rechnen Sie den ermittelten Umsatz auf ein vollständiges Jahr um. Auch Erlöse aus dem Verkauf von Anlagevermögen gehören nicht mit zum Umsatz in diesem Sinne und müssen herausgerechnet werden.
  5. 5
    Brutto und netto beachten: § 19 UStG besagt, dass der Umsatz zuzüglich der Umsatzsteuer, also der Bruttobetrag, die genannten Umsatzgrenzen nicht übersteigen darf. Beachten Sie das bei der Prognose, wenn Sie in Ihrem Businessplan mit Nettoumsätzen kalkuliert haben. Als Kleinunternehmer müssen Sie aber bei der Kontrolle der Umsatzentwicklung keinen fiktiven Steuerbetrag aufschlagen. Denn Sie rechnen bereits mit Bruttobeträgen, von denen die Umsatzsteuer lediglich nicht erhoben wird. Nur bei einem Wechsel von der Regelbesteuerung zur Kleinunternehmerregelung dürfen Sie für den Vergleich nicht die aus der Buchhaltung übernommenen Nettoumsätze verwenden, sondern müssen die Umsatzsteuer aufschlagen. Beachten Sie dabei gegebenenfalls auch die unterschiedlichen Steuersätze.

Achtung: Keine Umsatzsteuer bedeutet auch keine Vorsteuer!

Die Umsatzsteuerbefreiung nach § 19 UStG hat auch zur Folge, dass Sie als Kleinunternehmer die mit der Begleichung Ihrer Eingangsrechnungen gezahlte Mehrwertsteuer, die Vorsteuer, nicht vom Finanzamt erstattet bekommen. Sie sind dann also nicht vorsteuerabzugsberechtigt. Wie ein Privatverbraucher tragen Sie diese wirtschaftlich selbst. Die folgenden Beispiele zeigen, welche Auswirkungen der Vorsteuerabzug in unterschiedlichen Situationen für Selbstständige hat.

Beispiel 1

Hier soll es um ein Unternehmen gehen, das für Geschäftskunden arbeitet. Die Geschäftskunden können sich die gezahlte Vorsteuer vom Finanzamt zurückholen, weshalb die am Markt absetzbare Menge von den Nettopreisen abhängt. Daher hat der Nettoumsatz in den Beispielen zu Vergleichszwecken einen einheitlichen Wert.

BEISPIEL 1: VERKAUF AN UNTERNEHMER I.S.D. USTG
RegelbesteuerungKleinunternehmer
Wareneinkauf (netto) 7.000 € 7.000 €
Ausgewiesene Umsatzsteuer (19 %) 1.330 € 1.330 €
Einkaufspreis (brutto)8.330 €8.330 €
Als Vorsteuer abziehbar (19%) 1.330 € 0 €
Zu buchende (gewinnmindernde) Betriebsausgaben 7.000 € 8.330 €
Verkaufspreis (netto) 13.000 € 13.000 €
Umsatzsteuer (19 %) 2.470 € 0 €
Verkaufspreis (brutto) 15.470 € 13.000 €
Gewinn6.000 €
(13.000 € – 7.000 €)
4.670 €
(13.000 € – 8.330 €)

Sie sehen, dass die Regelbesteuerung in diesem Fall wirtschaftlich lohnenswerter ist als die Kleinunternehmerregelung. Der Unterschied ist umso größer, je höher die umsatzsteuerpflichtigen Betriebsausgaben und Investitionen sind.

Beispiel 2

Hier soll es um ein Unternehmen gehen, das für Privatkunden arbeitet. Diese orientieren sich bei Preisvergleichen am Bruttopreis, da sie die Umsatzsteuer wirtschaftlich selbst tragen müssen. Der am Markt erzielbare Bruttoumsatz bildet deshalb die Vergleichsgrundlage.

BEISPIEL 2: VERKAUF AN PRIVATKUNDEN (NICHT-UNTERNEHMER) I.S.D. USTG
RegelbesteuerungKleinunternehmer
Wareneinkauf (netto) 7.000 € 7.000 €
Ausgewiesene Umsatzsteuer (19 %) 1.330 € 1.330 €
Einkaufspreis (brutto)8.330 €8.330 €
Als Vorsteuer abziehbar (19%) 1.330 € 0 €
Zu buchende (gewinnmindernde) Betriebsausgaben 7.000 € 8.330 €
Verkaufspreis (netto) 13.000 € 15.470 €
Umsatzsteuer (19 %) 2.470 € 0 €
Verkaufspreis (brutto) 15.470 € 15.470 €
Gewinn6.000 €
(13.000 € – 7.000 €)
7.140 €
(15.470 € – 8.330 €)

Wenn man vom Marktpotenzial ausgeht, ist auf dem Privatkundenmarkt die Kleinunternehmerregelung lohnenswerter, da dem Unternehmer vom erzielten Bruttoumsatz mehr bleibt. Kleinunternehmer können aber auch die Preise für Privatkunden günstiger gestalten und sich so einen Vorteil gegenüber regelbesteuerten Unternehmen verschaffen.

§ 19 UStG – so vermerken Sie die Kleinunternehmerregelung auf Ihrer Rechnung

Kleinunternehmerrechnungen unterscheiden sich dadurch von normalen Rechnungen, dass keine Umsatzsteuer ausgewiesen und nicht zwischen Brutto- und Nettobeträgen unterschieden wird. Außerdem muss ein Hinweis auf die Steuerbefreiung gemäß § 19 UStG in freier Formulierung enthalten sein. Achten Sie auch bei Quittungen darauf, vor allem wenn Sie einen Quittungsblock verwenden. Denn wenn Ihr Kunde mit der Rechnung oder Quittung eine Vorsteuererstattung beim Finanzamt geltend machen kann, müssen Sie die Steuer auch abführen.

Wenn Sie als Kleinunternehmer eine Rechnung schreiben, können Sie eine Vorlage verwenden. Die Pflichtbestandteile für Kleinbetragsrechnungen bis 250 Euro sind:

  • Name und Anschrift des Ausstellers
  • Rechnungsdatum
  • Art, Menge oder Umfang der Waren oder Leistung
  • Entgelt und eventuell Minderungen
  • Hinweis auf Steuerbefreiung gemäß § 19 UStG, z.B. „Der Rechnungsbetrag enthält gemäß § 19 UStG keine Umsatzsteuer.“

Vorlage für Kleinunternehmer-Rechnungen

Jetzt kostenlos downloaden

Rechnungen über höhere Beträge müssen zusätzlich enthalten:

  • Name und Anschrift des Kunden
  • Rechnungsnummer
  • Ihre Steuernummer
  • Zeitpunkt oder -raum der Lieferung oder Leistung
  • Hinweis auf die zweijährige Aufbewahrungspflicht bei Leistungen für Privatpersonen, die mit einem Grundstück in Zusammenhang stehen
  • Gegebenenfalls Hinweis „Gutschrift“, falls der Leistungsempfänger die Rechnung ausstellt

Achtung!

Wurde auf einer Kleinunternehmerrechnung Umsatzsteuer ausgewiesen (unrichtiger Steuerausweis), schuldet der Unternehmer, der die Rechnung ausgestellt hat, diesen Betrag dem Finanzamt. Der Rechnungsempfänger hat allerdings nicht das Recht, die zu hoch ausgewiesene Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend zu machen. Denn grundsätzlich kann der Rechnungsempfänger lediglich die Vorsteuer abziehen, die ihm laut Umsatzsteuergesetz für die in Rechnung gestellte Lieferung oder Leistung zusteht – im Fall einer Kleinunternehmerrechnung also 0,00 Euro. Der Rechnungsempfänger kann vom Unternehmer allerdings die Berichtigung der Kleinunternehmerrechnung verlangen.

Buchhaltung und Steuererklärung: Weitere wichtige Punkte bei Nutzung der Kleinunternehmerregelung

Achten Sie bei der Auswahl Ihrer Buchführungssoftware darauf, dass sie sich für Kleinunternehmer eignet. Bei Bedarf soll sie einen späteren Wechsel zur Regelbesteuerung erlauben.

Als Kleinunternehmer müssen Sie keine Umsatzsteuervoranmeldungen abgeben. Eine jährliche Umsatzsteuererklärung ist aber trotzdem Pflicht, wobei Sie den speziell für Kleinunternehmer vorgesehenen Absatz B ausfüllen. Die Abgabe erfolgt zusammen mit Ihren anderen Steuererklärungen über ELSTER, wofür Sie als Unternehmer ein elektronisches Zertifikat brauchen.

Beachten Sie auch, dass die Kleinunternehmerregelung nur für inländische Umsätze gilt. Bei Geschäften mit dem Ausland müssen Sie die speziellen umsatzsteuerrechtlichen Bestimmungen beachten. Das betrifft zum Beispiel die Einfuhrumsatzsteuer, den innergemeinschaftlichen Erwerb, die Steuerschuldumkehr und Dreiecksgeschäfte. In diesen Fällen lohnt es sich in der Regel, einen Steuerberater zu Rate zu ziehen.

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Welche Nachteile kann die Kleinunternehmerregelung haben?

Wie die oben dargestellten Beispiele zeigen, ist die Umsatzsteuerbefreiung nach § 19 UStG nicht immer lohnenswert. Der Hauptgrund dafür ist, dass Kleinunternehmer nicht vorsteuerabzugsberechtigt sind. Die selbst gezahlte Vorsteuer können Sie sich also nicht vom Finanzamt erstatten lassen. Somit müssen Sie diese wie Privatverbraucher selbst tragen.

Das fällt besonders ins Gewicht, wenn hohe Ausgaben fällig sind. Vor allem in der Startphase müssen Unternehmer oft viel investieren, sodass sich die Option der Regelbesteuerung im ersten Jahr wegen der hohen Vorsteuerbeträge finanziell oft lohnt. Bedenken Sie aber die 5-Jahres-Bindung.

Wie kann ich die Kleinunternehmerschaft ablegen?

Sie können jeweils zu Beginn eines neuen Jahres zur Regelbesteuerung wechseln, auch wenn die Voraussetzungen für die Kleinunternehmereigenschaft noch gegeben sind. Informieren Sie das Finanzamt in einem frei formulierten Schreiben über Ihre Entscheidung. Achten Sie auch darauf, ab Beginn des neuen Jahres auf Ihren Rechnungen Umsatzsteuer auszuweisen und regelmäßig Umsatzsteuervoranmeldungen abzugeben.

Test: Soll ich die Kleinunternehmerregelung in Anspruch nehmen?

Sie sind sich noch nicht sicher, ob sich die Kleinunternehmerregelung lohnt? Der folgende Test unterstützt Sie bei Ihrer Entscheidung. Wenn Sie alle Fragen mit „Nein“ beantworten, ist die Umsatzsteuerbefreiung nach § 19 UStG für Sie mit hoher Sicherheit die richtige Wahl.

  • Wird Ihr auf das Jahr umgerechneter Umsatz im Gründungsjahr 22.000 Euro übersteigen?
  • Erwarten Sie in den nahen Folgejahren Umsatzsteigerungen, die über 50.000 Euro hinausgehen?
  • Gründen Sie von Beginn an hauptberuflich?
  • Kommt die Kleinunternehmerregelung nur für die Anfangsphase in Betracht?
  • Haben Sie im Rahmen der Gründung hohe Investitionsausgaben?
  • Werden Sie hauptsächlich für Geschäftskunden arbeiten?
  • Müssen Sie regelmäßig Waren kaufen?
  • Haben Sie relativ hohe Betriebsausgaben, die Vorsteuerbeträge enthalten?
  • Besitzen Sie Grundkenntnisse im Umsatzsteuerrecht und im Erstellen der Voranmeldungen?
  • Verfügen Sie über ausreichend Zeit für Verwaltungsaufgaben?

Fazit: Kleinunternehmer sparen Verwaltungsaufwand

Mit der Kleinunternehmerregelung gibt es für Gründer und Unternehmer mit geringen Umsätzen die Möglichkeit, ihren Verwaltungsaufwand zu reduzieren. Sie bringt allerdings nicht in jeder Situation nur Vorteile für Selbstständige und Unternehmer. Überprüfen Sie, ob die Umsatzsteuerbefreiung für Sie überhaupt infrage kommt und ob sie sich auch lohnt. Vor allem in der Startphase ist sie zwar eine organisatorische Erleichterung, kann aber aufgrund des nicht möglichen Vorsteuerabzugs auch wirtschaftliche Nachteile bringen.


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Roul Radeke ist Gründer und Geschäftsführer von Selbststaendigkeit.de. Das Onlineportal bietet Existenzgründern und Unternehmern News aus der Gründer- und Unternehmerszene, hilfreiches Wissen für die Gründung und Führung von Unternehmen, geförderte Existenzgründungsberatung (AVGS-Coaching) sowie digitale Produkte für die Selbstständigkeit.

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